Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Meerſchweinchen. Aperea. TT

Alle Ferkelhaſen bewohnen ausſ{ließli<h Süd- und Mittelamerika, hier aber die verſchiedenſten Gegenden: die einen Ebenen, die anderen Wälder und tro>ene Stre>en, Sümpfe, Felſenwände und ſelbſt das Waſſer. Dieſe verbergen ſich in den Löchern hohler Stämme, Felſenrißen, in He>en und Gebüſchen, jene in ſelbſtgegrabenen oder verlaſſenen Höhlen anderer Tiere. Faſt alle leben geſellig und ſind mehr des Nachts als bei Tage rege. Jhre Nahrung beſteht aus Pflanzenſtoffen aller Art: aus Gräſern, Kräutern, Blüten und Blättern, Wurzeln, Kohl, Samen, Früchten und Baumrinde. Beim Freſſen ſißen ſie in aufre<ter Stellung auf dem Hinterteile und halten die Nahrung zwiſchen den Vorderpfoten feſt. Jhre Bewegungen ſind gewandt, wenn auch der gewöhnliche Gang ziemlich langſam iſt. Einzelne gehen in das Waſſer und ſ{hwimmen mit großer Geſchiklichkeit und Ausdauer. Alle ſind friedlih und harmlos, ſcheu, die kleinen ſehr ſhüchtern, ängſtlih und ſanft, die größeren etwas mutiger; doh flüchten ſie auh bei herannahender Gefahr, ſo ſ<nell ſie können. Unter ihren Sinnen ſind Geruch und Gehör am beſten au3gebildet, ihre geiſtigen Fähigfeiten ſind gering. Sie laſſen ſi leiht zähmen, gewöhnen ſih an den Menſchen und lernen ihn au< wohl kennen, ohne ſi jedo< inniger mit ihm zu befreunden. FJhre Vermehrung iſt ſehr groß; die Zahl der Jungen \<hwantt zwiſchen 1 und 8, und manche Arten werfen mehrmals im Jahre.

Man teilt die Familie nah der Bildung der Backenzähne in E zwei Unterfamilien ein. Jn der Gerippe des Agutis. (Aus dem Berliner anatomiſhen Muſeum.) einen ſind dieſe Zähne wurzellos, und die oberen Reihen laufen vorn beinahe zuſammen, in der anderen haben ſie halbe Wurzeln und bilden gleichlaufende Reihen. Zu der erſten Unterfamilie gehören die Mara, das Meer- und Waſſerſchwein, zur zweiten der Aguti und die Paka. Wir ſehen von den angegebenen Unterſcheidungsmerkmalen ab und vereinigen alle Hufpfötler in einer Familie.

Unſer allbekanntes Meerſhwein<hen (Cavia porcellus, C. cobaya) teilte bislang das Schiſal vieler Haustiere: man vermochte ſeine Stammeltern niht mit Sicherheit zu beſtimmen. Soviel wir wiſſen, iſt das Tierchen bald na< der Entde>ung Amerikas, im 16. Jahrhundert alſo, und zwar durch die Holländer zu uns gebracht worden. Gesner fennt es bereits, und von jener Zeit an hat man es fort und fort gezüchtet, aber bis vor furzem wahrſcheinlih icrtümlicherweiſe ziemlih allgemein die braſiliſhe Aperea (Cavia aperea) als Stammart angenommen. Nach Nehrin gs Unterſuchungen indeſſen ſtammt das Meerſchweinchen von der der Aperea naheverwandten Cavia cutleri in Peru ab, wo es ſchon zu den Zeiten der Jnkas als Haustier gehalten wurde. Noch heute wird es, wie A. Stübel ihm mitteilte, von den Fndianern von Peru, Ecuador und Columbia gepflegt und verſpeiſt; dagegen hat man es bei den unberührten Ureinwohnern Braſiliens nirgends angetroffen.

Außer einfarbigen Meerſhweinchen, von denen die weißen am häufigſten ſind, ſieht man gewöhnlich nur dreifarbige: weiß, gelb und ſchwarz geſhe>te. Haacke bezeichnet es aber als einen Frrtum, wenn man, wie faſt immer zu geſchehen ſcheint, das Vorkommen zweifarbiger Meerſchweinchen in Abrede ſtellt. Er hat zwiſchen den Meerſchweinchen, die im

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. IL. ZU