Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Meerſhweinchen: Gebaren. Stimme. Fortpflanzung. 579

Stalle umher, am liebſten längs der Mauern hin, wo es ſi bald einen glatt getretenen Weg bahnt. Recht hübſch ſieht es aus, wenn eine ganze Anzahl beiſammen iſt. Dann folgt eines dem anderen, und die ganze Reihe umkreiſt den Stall vielleiht hundertmal ohne Unterbrehung. Die Stimme beſteht aus einem Grunzen, welches ihm wohl den Namen Schwein verſchafft hat, und aus einem eigentümlichen Murmeln und Quieken. Das Murxmeln ſ<heint Behaglichkeit auszudrücten, während das Quieken immer Aufregung anzeigt.

Männchen und Weibchen halten ſi zuſammen und behandeln einander zärtlich. Reinli, wie die meiſten Nager es ſind, le>t eines das andere und benußt auh wohl die Vorder: füße, um dem Gatten das Fell glatt zu kämmen. Schläft eines von dem Paare, ſo wacht das andere für ſeine Sicherheit; währt es ihm aber zu lange, ſo ſucht es durch Le>ken und Kämmen den Schläfer zu ermuntern, und ſobald dieſer die Augen aufthut, nit es dafür ein und läßt nun ſi< bewachen. Das Männchen treibt ſein Weibchen oft vox ſih her und ſucht ihm ſeine Liebe und Anhängli<hkeit auf jede Weiſe an den Tag zu legen. Auch die gleichen Geſchlechter vertragen ſih re<t gut, ſolange die Freßſucht nicht ins Spiel kommt oder es ſi< niht darum handelt, den beſten Plaß beim Freſſen oder Nuhen zu erhalten. Zwei verliebte Männchen, welche um eine Gattin ſtreiten, geraten oft in Zorn, knirſchen mit den Zähnen, ſtampfen auf den Boden und treten ſih gegenſeitig mit den Hinterfüßen, pa>en ſi< au< wohl an den Haaren; ja es kommt ſogar zu Kämpfen, bei denen die Zähne tüchtig gebraut werden und man<hmal ernſte Verwundungen vortfommen. Streit und Kampf enden erſt dann, wenn ſi< ein Männchen entſchieden in den Beſiß eines Weibchens geſeßt hat.

Wenige Säugetiere kommen dem Meerſchweinchen an Fruchtbarkeit gleich. Bei uns wirft das Weibchen zwei- oder dreimal im Jahre 2—s8, oft au<h 4—5 Junge, in heißen Ländern ſogar deren 6—7. Die Kleinen kommen vollſtändig entwi>elt zur Welt, werden mit offenen Augen geboren und ſind ſhon wenige Stunden nach ihrer Geburt im ſtande, mit ihrer Mutter umherzulaufen. Am zweiten Tage “ihres Lebens ſigen ſie manhmal bereits mit bei der Mahlzeit und laſſen ſi die grünen Pflanzen, ja ſogar die Körner, faſt ebenſogut ſ<hme>en wie jene. Gleihwohl ſäugt ſie die Mutter 14 Tage lang und zeigt während dieſer Zeit viel Liebe und Sorgfalt für ſie, verteidigt ſie, hält fie zuſammen, leitet ſie zum Freſſen an 2c. Sowie die Kleinen verſtändiger werden, erkaltet dieſe heiße Liebe, und nah ungefähr 3 Wochen, zu welcher Zeit die Alte ſih regelmäßig {on wieder gepaart hat, bekümmert ſie ſi< gar niht mehr um die früheren Sprößlinge. Dex Vater zeigt ſih von allem Anfang an ſehr gleichgültig gegen dieſe, ſogar feindſelig, und oft kommt es vor, daß er ſie totbeißt und auffrißt. Nach ungefähr 5—6 Monaten ſind die Fungen fortpflanzungsfähig, nah 8—9 Monaten haben ſie ihre vollkommene Größe erreicht. Bei guter Behandlung können ſie ihr Leben auf 6—8 Fahre bringen.

Wenn man ſich viel mit Meerſchweinchen beſchäftigt, kann man ſie ungemein zahm machen, obwohl ſie ihre Furchtſamkeit nie gänzlih ablegen und bei ihrer geringen geiſtigen Fähigkeit ſelten dahin gelangen, den Wärter von anderen zu unterſcheiden. Niemals verſuchen ſie zu beißen oder ſonſt von ihren natürlichen Waffen Gebrau<h zu mahen. Das fleine Kind kann unbeſorgt mit ihnen ſpielen. Oft legen ſie eine wahrhaft merkwürdige Gleichgültigkeit gegen äußere Gegenſtände an den Tag. , So lieb und angenehm ihnen auch ihr Stall zu ſein pflegt, ſo wenig ſcheinen ſie nach ihm zu verlangen, wenn ſie wo anders hingebraht werden; ſie laſſen ſi< warten und pflegen, auf den Schoß nehmen, mit umherſchleppen 2c., ohne ſi< deshalb mißvergnügt zu zeigen. Wenn man ihnen etwas zu reſſen gibt find ſie überall zufrieden. Aber dafür bekunden ſie auch ſelten wahre Anhänglichkeit ſondern find ſo recht aller Welt Freund. Es gibt aber auh Ausnahmen. „Ein Meerſchweinchen, welches meinen Kindern gehört“, ſchreibt Friedel, „begrüßt meinen Sohn,

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