Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Aguti: Weſen. Nahrung. Fortpflanzung. 585

oder des Frühjahres, das zweite Mal einige Monate ſpäter, doh noh vor Eintritt der Dürre. Zu dieſer Zeit ſuht das Männchen ein Weibchen auf und jagt ihm nah unter Pfeifen und Grunzen, bis es das anfänglih ſehr ſpröde Weibchen ſeinem Willen geneigt gemacht hat. Bald nath der Begattung lebt jedes Geſchlecht einzeln für ſih. Das Weibchen bezieht ſein altes Lager wieder und richtet es zur Aufnahme der Jungen ein, d. h. polſtert es möglichſt dit mit Blättern, Wurzeln und Haaren aus, bringt auf dieſem weichen Lager die Jungen zur Welt, ſäugt ſie mehrere Wochen mit großer Zärtlichkeit und führt ſie ſchließlich noh einige Zeit mit umher, um ſie bei den erſten Weidegängen zu unterrichten und zu beſchüßen. Gefangene Agutis pflanzen ſih nict ſelten fort. Schon Rengger erzählt, daß ein Pärcen, welches Parlet beſaß, nah langem Werben und Verſagen ſi begattete, und daß das Weibchen nah ſe<s8wöciger Tragzeit zwei, leider tote Junge warf. Jn London, Amſterdam und Köln hat man ebenfalls Funge gezüchtet. „Zweimal“, ſagt Bodinus, „haben wir ſchon Junge von unſeren Agutis gezogen, das erſte Mal zwei das zweite Mal nux eins. Zh hatte dabei Gelegenheit, zu beobachten, daß das Weibchen kein großes Zutrauen zu der Kin: derliebe des Vaters hat. Die kleinen Tierchen liefen, obwohl etwas {hwa< auf den Füßen, bald nah der Geburt umher, ähnli wie die neugeborenen Jungen vom Meerſchweinchen. Nahten ſie ſi< dem Vater, ſo ſtürzte die Mutter mit geſträubten Haaren auf ſie zu, ergriff fie mit dem Maule und trug ſie in eine E>e — ein Verfahren, welches das beſorgliche Tier mehrere Tage fortſetzte, bis die Kinder die Mutter zu kennen ſchienen und die gefährliche Nähe des Herrn Papas vermieden. Nah 4—5 Tagen ſcien der Vater an den Anbli> der Kinder gewöhnt und die Gefahr beſeitigt zu ſein. Für gewöhnlih ſuchten ſie ſih in irgend einem Schlupfwinkel aufzuhalten und kamen, ſobald ſi< Eßluſt einſtellte, mit quiekenden Tönen heran, mit zärtlichem Knurren begrüßt von der Mutter, welche, auf den Hinterfüßen ſizend, ſie ſaugen ließ. Unvermutetes Geräuſch verjagte ſie. in ihren Schlupfwinkel, bis ſie, mehr an die Umgebung gewöhnt, ſih allmählich frei zu bewegen begannen und der Mutter folgten. Wenige Tage nach der Geburt benagten ſie ſhon das Futter der Alten und wuchſen ohne irgend bemerflihe Umſtände allmählih heran. Bei der Geburt tragen die Tierchen gleih das Gepräge der Alten und weichen nur unbedeutend in den äußeren Formen ab.“

Von mir gepflegte Agutis haben wohl geboren, die Jungen aber ſofort getötet, aus welcher Urſache, vermag ih niht zu ſagen. Die Geburt erfolgte, ohne daß ih etwas ahnte, am 2. Februar bei ziemlich ſtarker Kälte und wahrſcheinlih im Fnneren der ſehr geräumigen Höhle, welche meine Gefangenen nah eigenem Belieben und Ermeſſen innerhalb ihres Geheges ſi< ausgegraben hatten. Jh fand eines Morgens die getöteten Jungen mit zerbiſſenem Kopfe vor dem Eingange der Höhle liegen und vermutete, daß dieſer Mord von anderen Gutis, welche in demſelben Gehege wohnten, begangen worden war. Der Erwähnung wert ſcheint mir zu ſein, daß meine gefangenen Gutis alle Leichen aus dem Fnneren des Baues herausſ<leppten und vor ihrer Röhre ablegten. Wie die Jungen, war auch ein alter Guti, welcher im Fnneren der Höhle verendet ſein mochte, von den übrigen ins Freie gebracht worden. Dieſes Verfahren der Tiere ſteht mit ihrer großen Reinlichkeitsliebe im innigſten Zuſammenhange.

Nengger erzählt, daß der Guti, jung eingefangen und ſorgſam aufgezogen, faſt zum Haustiere wird. „Jh habe“, ſagt er, „mehrere Agutis geſehen, welche man frei herumlaufen laſſen konnte, ohne daß ſie entwichen wären; ſogar mitten in großen Wäldern, ihrem Aufenthalte im freien Zuſtande, entweichen ſie niht, wenn ſie einmal gezähmt ſind. So ſah ih in den Waldungen des nördlichen Paraguay in den Hütten einiger Einwohner zwei zahme Agutis, welche den Morgen und Abend im Walde, den Mittag und die Nacht bei den Fndianern zubrachten. Es iſt nicht ſowohl die Anhängiüichkeit an den Menſchen, ſondern die Angewöhnung an ihren Aufenthaltsort, welche bei ihnen den Hang zur Freiheit unterdrückt,