Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

586 Siebente Ordnung: Nager; zehnte Familie: Huſpfötler.

Sie ſind dem Menſchen nur wenig ergeben, unterſcheiden ihren Wärter keine8wegs von anderen Perſonen, gehorchen nur ſelten ſeinem Rufe und ſuchen ihn nur dann auf, wenn ſie der Hunger drängt. Auch laſſen ſie ſi< ungern von ihm berühren; ſie dulden keinen Zwang, leben ganz nah ihrem eigenen Willen und önnen höchſtens dazu abgerichtet werden, ihre Nahrung an einer beſtimmten Stelle aufzuſuchen. Übrigens verändern ſie im häuslichen Zuſtande ihre Lebensart inſoweit, daß ſie mehr bei Tage herumlaufen und bei Nacht ausruhen. Gewöhnlich wählen ſie irgend einen dunkeln Winkel zu ihrem Lager und polſtern dasſelbe mit Stroh und Blättern aus, zuweilen aber au< mit ſeidenen Frauenſhuhen, Schnupftüchern, Strümpfen 2c., welche ſie in Éleine Stücke zernagen. Sonſt richten ſie mit ihren Zähnen wenig Schaden an, außer wenn man ſie einſhließt, wo ſie dann aus Langerweile alles zerſtören, was für ihr Gebiß nicht zu hart iſt. Jhre Bewegungen ſind ſehr leiht. Sie gehen entweder in langſamen Schritten, wobei ſie bloß mit den Zehen auftreten und den Rücken ſtark wölben, oder ſie laufen im geſtre>ten Galopp oder machen Sprünge, welche an Weite denen unſeres Haſen nihts na<hgeben. Laute geben ſie ſelten von ſich, außer wenn ſie gereizt werden; dann laſſen ſie einen pfeifenden Schrei hören; do< knurren ſie zuweilen, aber nur ganz leiſe, wenn ſie an einem verborgenen Orte irgend etwas zernagen. Werden ſie in Zorn oder in große Furcht geſeßt, ſo ſträuben ſie ihre Rükenhaare, und es fällt ihnen dann oft ein Teil davon aus. Man ernährt ſie mit allem, was im Hauſe gegeſſen wird. Sie lieben aber das Fleiſch lange nicht ſo, wie Azara angibt, ſondern freſſen es bloß in Ermangelung geeigneter Nahrung. Eine Lieblingsſpeiſe ſind die Roſen. Sowie eine von dieſen Blumen in ihre Wohnung gebracht wird, wittern ſie ihr Vorhandenſein auf der Stelle und ſuchen ſie auf. Die Nahrung ergreifen ſie gewöhnli<h mit den Schneidezähnen und nehmen ſie dann zwiſchen beide Daumenwarzen der Vorderfüße, indem ſie ſih wie das Eihhörnchen auf die Hinterfüße ſeßen. Zuweilen freſſen ſie au< in kauernder Stellung, gewöhnlih, wenn ſie ganz kleine oder zu kleine Biſſen vor ſich haben. Jh ſah ſie nie trinken, jedoch follen ſie nah Parlets Beobachtungen das Waſſer lappend zu ſi<h nehmen.“

Bodinus ſagt mit Recht, daß die zierliche Geſtalt das ſhöne Ausſehen und die Reinlichkeit die Agutis für alle Liebhaber ſehr empfehlenswert machen, und daß nur ihre große Nageſucht unangenehm werden kann. Die, welche von Bodinus gehalten wurden, waren ſo zutraulich geworden, daß ſie dargereihhte Le>Æerbiſſen aus der Hand nahmen und augenbli>li<h mit wahrhaft dankbarem Bli>ke auf den Geber verzehrten. Andere Gefangene eraögen hauptſähli< dur eine Eigentümlichkeit, welche ih no< nirgends erwähnt gefunden habe. Sie pflegen nämlih einen guten Teil ihres Futters zu vergraben, um ſich für den Notfall zu ſichern. Sobald ihnen Nahrung gereicht wird, fallen ſie gierig darüber her, nehmen einige Biſſen, wählen ſih dann ein Stü>kchen Möhre oder eine ihnen gereihte Frucht, tragen ſie im Maule weg, graben an irgend einer Stelle ein Éleines Loch, legen ihren Schaß dahinein, ſtreichen Erde darüber und ſhlagen und drü>en dieſe mit den Vorderpfoten feſt. Dies bewerkſtelligen ſie ſo raſch, geſchi>t und ordentlich, daß jedermann daran ſeine Freude haben muß. Sofort nah beendigtem Geſchäfte holen ſie neue Zufuhr und verfahren wie vorher. Äußerſt komiſch ſieht es aus, wie ſorgſam ſie ſi<h dabei umſchauen, und wie ſorgfältig ſie bemüht ſind, ihre Schabbergerei ungeſehen zu verrihten. Naht ſi< ihnen ein anderes Tier, ſo ſträuben ſie ſofort das Haar und gehen zornig auf den Störenfried los. Futterneidiſh ſcheinen ſie überhaupt im höchſten Grade zu ſein; ihre ſchwächeren Mitgefangenen müſſen ſich jeden Biſſen ſtehlen, welchen ſie genießen wollen, und ſelbſt ſtärkeren Wohnungsgenoſſen, z. B. Pakas und Murmeltieren, machen ſie die Nahrung ſtreitig.

Die Reinlichkeitsliebe der von mir gepflegten Gutis zeigte ſih bei jeder Gelegenheit. Sie hielten ſich ſelbſt fortwährend in Ordnung und vermieden ſorgſam, ſich irgendwie zu beſ<mubßen. Jhre Baue waren ſtets vortrefflich im ſtande. Sie verdankten dieſe eigentlich