Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

592 Siebente Ordnung: Nager; zehnte Familie: Hufpfötler,

ſumpfige Gegenden, zumal Flüſſe und die Ränder von Seen und Sümpfen bilden ihre Aufenthaltsorte. Am liebſten lebt ſie an großen Strömen, verläßt dieſe auc niemals, und wenn es geſchieht, nur indem ſie dem Laufe kleiner einmündender Bäche oder Graben folgt. Hier und da iſt ſie ungemein häufig, an bewohnten Stellen begreiflicherweiſe ſeltener als in der Wildnis. Dort wird ſie nur abends und morgens geſehen, in menſchenleeren, wenig beſuchten Flußthälern dagegen bemerkt man ſie auh bei Tage in Maſſen, immer in nähſter Nähe des Fluſſes, entweder weidend oder wie ein Hund auf den zuſammengezogenen Hinterbeinen ſißend. Jn dieſer Stellung ſcheinen die ſonderbaren, an Flußpferde erinnernden Geſchöpfe am liebſten auszuruhen, wenigſtens ſieht man ſie nur höchſt ſelten auf dem Bauche liegend.

Der Gang iſt ein langſamer Shritt, der Lauf nicht anhaltend; im Notfalle ſpringt das Tier aber au< in Sägen. Dagegen {<wimmt es vortrefflich und ſeht mit Leichtigkeit über Gewäſſer, thut dies jedoch bloß dann, wenn es verfolgt, oder wenn ihm die Nahrung an der einen Seite des Fluſſes knapp geworden iſt. So feſt es an einem beſtimmten Gebiete hält, ſo regelmäßig verläßt es dasſelbe, wenn es Verfolgungen erleidet. Ein eigentliches Lager hat es nicht, obwohl es ſi< an bevorzugten Plätzen des Ufers regelmäßig aufhält. Seine Nahrung beſteht aus Waſſerpflanzen und aus der Kinde junger Bäume, und nur da, wo es nahe an Pflanzungen wohnt, fällt es zuweilen über Waſſermelonen oder Mais, Neis und Zu>kerrohr her und richtet dann unter Umſtänden ſehr bedeutenden Schaden an. Das Waſſerſchwein iſt ein ſtilles und ruhiges Tier. Schon auf den erſten Anbli> wird es jedermann klar, daß man es mit einem höchſt ſtumpfſinnigen und geiſte8armen Geſchöpfe zu thun hat. Niemals ſieht man es mit anderen ſeiner Art ſpielen. Entweder gehen die Mitglieder einer Herde langſamen Schrittes ihrer Nahrung nach, oder ruhen in ſißender Stellung. Von Zeit zu Zeit kehren ſie den Kopf um, um zu ſehen, ob ſi ein Feind zeigt. Begegnen ſie einem ſolchen, ſo eilen ſie niht, die Flucht zu ergreifen, ſondern laufen langſam dem Waſſer zu. Jm höchſten Schre>ken aber ſtürzen ſie ſi eiligſt mit einem Schrei ins Waſſer und tauchen unter. Wenn ſie niht gewohnt ſind, Menſchen zu ſehen, betrachten ſie dieſe oft lange, ehe ſie entfliehen. Man hört ſie keinen anderen Laut von ſich geben als jenes Notgeſchrei, welches Azara dur< „ap“ ausdrü>t. Dieſes Geſchrei iſt aber ſo durchdringend daß man es viertelſtundenweit vernehmen kann.

Das Weibchen wirft nur einmal im Jahre 5—6 Junge. Ob dieſes in einem beſonders dazu bereiteten Lager geſchieht, hat man nicht ermitteln können. Die Ferkelchen folgen ihrer Mutter ſogleih, bekunden jedo< nur wenig Anhänglichkeit an ſie. Nach Azaras Beobachtungen ſoll ein Männchen 2 oder 8 Weibchen mit ſih führen. „Jh habe“, ſagt Ren gger, „in Paraguay mehrere Capybaras, welche man jung eingefangen und aufgezogen hatte, geſehen. Sie waren ſehr zahm, wie ein Haustier, gingen gleich dieſem aus und ein und ließen ſih von jedermann berühren. Doch zeigten ſie weder Folgſamkeit no< Anhänglichkeit an den Menſchen. Sie hatten ſih ſo an ihren Aufenthaltsort gewöhnt, daß ſie ſich nie weit davon entfernten. Man braucht ſie nicht zu füttern; ſie ſuchen ſelbſt ihre Nahrung auf, und zwar bei Nacht oder bei Tage. Jhre Lieblingsſpeiſe blieben, wie in der Freiheit, Sumpf- und Waſſerpflanzen, welche ſie ſih auch täglih aus den nahe gelegenen Flüſſen, Lachen und Sümpfen holten; doh fraßen ſie auh Maniokwurzeln oder Schalen von Waſſermelonen, welche man ihnen vorgeſeßt hatte. Unter ihren Sinnen ſcheint der Geruch am beſten entwi>elt zu ſein; Gehör und Geſicht ſind ſchle<t. Was ihnen an Schärfe der Sinne abgeht, wird an Muskelkraft erſet, ſo daß zwei Männer kaum im ſtande ſind, eine Capyhara zu bändigen.“ Nach Kappler wird das Waſſerſhwein, obwohl ſonſt überaus furhtſam, wenn es angeſchoſſen iſt, den Hunden ſehr gefährlich und vermag ihnen ſhwere Bißwunden beizubringen, ſogar Knochen zu durchbeißen.