Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Waſſerſ<hwein: Aufenthalt. Fortpflanzung. Frei- und Gefangenleben. 593

Jn der Neuzeit iſt das Tier öfters lebend na<h Europa gekommen. Jch habe eines längere Zeit gepflegt. Es war mir in hohem Grade zugethan, kannte meine Stimme, kam herbei, wenn ich es rief, freute ſih, wenn ih ihm ſ{<meicelte, und folgte mir wie ein Hund. So freundli<h war es niht gegen jedermann: ſeinem Wärter, welcher es zurüctreiben wollte, ſprang es einmal gegen die Bruſt und biß dabei ſofort zu, glüclicherweiſe mehr in den Not als in den Leib. Folgſam konnte man es überhaupt nicht nennen: es gehorchte nux, wenn es eben wollte. Sein Gleihmut war mehr ein ſcheinbarer als wirklih begründeter. Sobald ich es rief, ſprang es unter Ausfſtoßen des von den genannten Naturforſchern beſchriebenen Schreies ins Waſſer, tauchte unter und ſtieg langſam am anderen Ufer in die Höhe, kam zu mir heran und murmelte oder kicherte in höchſt eigentümlicher Weiſe vor ſich hin, und zwar durch die Naſe, wie ih mi<h genau überzeugt habe. Die Töne, welche es auf dieſe Weiſe hervorbringt, laſſen ſi<h no< am eheſten mit dem Geräuſche vergleichen, welhes entſteht, wenn man die Zähne aufeinander reibt. Sie ſind abgebrochen zitternd, unnachahmlih, eigentli<h au< niht zu beſchreiben, und ein Ausdru> des entſchiedenſten Wohlbehagens, gewiſſermaßen ein Selbſtgeſpräch des Tieres, welches unterbrochen wird, wenn ſich irgend welche Aufregung ſeiner bemächtigt. J<h kann die Bewegungen des Waſſerſchweines niht plump oder ſhwerfällig nennen. Es läuft ſelten raſh, ſondern gewöhnlih gemächlich mit großen Schritten dahin, ſpringt aber ohne Mühe über meterhohe Gitter weg. Jm Waſſer bewegt es ſi meiſterhaft. Es ſ{wimmt in gleihmäßigem Zuge ſ{hnurgerade über breite Gewäſſer, gerade ſo ſ{<hnell, wie ein Mann geht, taucht mit einem Sprunge wie ein Vogel und verweilt minutenlang unter dem Waſſer, ſchwimmt auch in der Tiefe fort, ohne ſich in der beabſihtigten Nichtung zu irren. Seine Erhaltung verurſa<ht gar keine Mühe. Es frißt allerlei Pflanzenſtoffe wie ein Schwein, braucht viel, aber durhaus kein gutes Futter. Frihes, ſaftiges Gras iſt ihm das liebſte; Möhren, Rüben und Kleienfutter ſagen ihm ebenfalls ſehr zu. Mit ſeinen breiten Schneidezähnen weidet es wie ein Pferd, trinkt auh, wie dieſes, ſhlürfend, mit langen Zügen. Die Wärme liebt es, ohne jedoch die Kälte zu fürchten. Noch im November ſtürzt es ſih ungeſcheut und ungefährdet in das eiskalte Waſſer. Bei großer Hite ſucht es unter dichten Gebüſchen Schatten, gräbt ſih hier wohl auch eine ſeichte Vertiefung aus. Sehr gern wälzt es ſich im Schlamme, iſt überhaupt unreinlih und liederlih: ſeine Haare liegen kreuz und quer über- und durcheinander. Es würde ein ganzes Schwein ſein, übernähme das Waſſer niht ſeine Reinigung. Jn dieſes ſeßt, nah Haa>e, die gegenwärtig in Frankfurt lebende Capybara auch ſtets ihren Kot ab, ſelbſt wenn man ihr nur einen ganz leinen Saufnapf gibt. Gegen andere Tiere zeigt ſi<h das Waſſer\{<wein teilnahmlos. Es fängt mit keinem Streit an und läßt ſi< beſchnuppern, ohne ſich nah dem Neugierigen auh nur umzuſchauen. Doch zweifle ih niht, daß es ſih zu verteidigen weiß; denn es iſt niht ſo dumm und ſanft, wie es ausſieht.

Auffallend war mir der Wechſel der Milhnagezähne meines Gefangenen. Sie wurden dur< die zweiten, welche ungefähr na< Ablauf des erſten Lebensjahres dur<hbrachen, ganz allmählih abgeſtoßen, ſaßen eine Zeitlang wie eine Scheide auf und fielen ab, noh ehe die na<hkommenden ausgebildet waren. Das Gebiß war eine Zeitlang äußerſt unregelmäßig. Henſel ſpricht die Anſicht aus, daß ſi< das Waſſerſhwein wie die Paka zur Einführung und Zähmung eignen und uns ſo von Nugen ſein könnte. Mit dem Schweine würde das Tier freilih niht wetteifern können, in den Sümpfen Südeuropas ſi aber ſehr gut halten, und ſein Fleiſhgeſ<hma> dur<h veränderte Nahrungsweiſe vielleicht verbeſſert werden; mögliherweiſe würde es ſih auch vollſtändig in ein Haustier verwandeln laſſen und dann Nuten gewähren, da ſein Unterhalt keine bedeutenden Koſten veruxſachen und man es ſelbſt bei uns zu Lande mit Erfolg züchten könnte, falls man ihm im Sommer einen Teich

Brehm, Tierleben. 3, Auflage. Il. 38