Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Chinchilla: Aufenthalt. Fortpflanzung. Gebaren. Jagd. 611

unſerer Mäuſe. Wenn ſie ruhen, ſiven ſie auf dem Hinterteile, mit an die Bruſt gezogenen Vorderbeinen, den Shwanz nach hinten geſtre>t; ſie können ſih jedo<h au ganz frei auf den Hinterbeinen erheben und eine Zeitlang in dieſer Stellung erhalten. Beim Klettern greifen ſie mit allen vier Füßen in die Rißen des Geſteins ein, und die geringſte Unebenheit genügt ihnen, um mit vollſtändiger Sicherheit Fuß zu faſſen. Alle Beobachter ſtimmen in der Angabe überein, daß dieſes Tier es meiſterhaft verſtehe, auh die ödeſte und traurigſte Gebirgsgegend zu beleben und ſomit dem Menſchen, welcher einſam und verlaſſen dort oben dahinzieht, Unterhaltung und Erheiterung zu bieten.

Über die Fortpflanzung der Chinchilla iſt no< nihts Genaueres bekannt geworden, obwohl ſie ſi< im Londoner Tiergarten vermehrt hat. Fn ihrer Heimat hat man zu jeder Zeit des Jahres trähtige Weibchen gefunden und von den Eingeborenen erfahren, daß die Anzahl der Jungen zwiſchen 4 und 6 ſhwanke; Cingehenderes weiß man nicht. Die Jungen werden ſelbſtändig, ſobald ſie die Felſenrißen verlaſſen können, in denen ſie das Licht der Welt exbli>kten, und die Alte ſcheint ſi< von dem Augenbli>e des Auslaufens an niht mehr um ihre Nachkommenſchaft zu kümmern. Fn ihrem Vaterlande wird die Chinhilla oft zahm gehalten; na<h Europa gelangt fie immer noch ziemlich ſelten. Die Anmut ihrer Bewegungen, ihre Reinlichkeit und die Leichtigkeit, mit welcher ſie ſih in ihr Schilkſal findet, erwerben ihr bald die Freundſchaft des Menſchen. Sie zeigt ſi<h ſo harmlos und zutraulih, daß man ſie frei im Hauſe und in den Zimmern umherlaufen laſſen kann. Nur durch ihre Neugier wird ſie läſtig; denn ſie unterſucht alles, was ſie in ihrem Wege findet, und ſelbſt die Geräte, welche höher geſtellt ſind, weil es ihr eine Kleinigkeit iſt, an Tiſch und Schränken emporzuklimmen. Nicht ſelten ſpringt ſie den Leuten plößli<h auf Kopf und Schultern. Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſtehen ungefähr auf gleiher Stufe mit denen unſeres Kaninhens oder Meerſchweinchens. Man kann auch bei ihr weder Anhänglichkeit an ihren Pfleger no Dankbarkeit gewahren. Fn der Gefangenſchaft iſt ſie bei weitem nicht ſo lebhaft wie im Freien, und niemals legt ſie ihre Furchtſamkeit ab, wenn ſie auh, wie Haad>e an dem Männchen eines im Frankfurter Tiergarten gehaltenen Pärchens erfuhr, gelegentli<h ein wenig auf einen vermeintlichen Angreifer losfährt und ihn mit ihrem Harne beſprißt. Mit tro>enen Kräutern iſt ſie leiht zu erhalten. Jm Freien frißt ſie Gräſer, Wurzeln und Mooſe und bedient ſih der Vorderpfoten, um ihre Speiſe zum Munde zu führen.

Jn früheren Zeiten ſoll die Chinchilla bis zum Meere herab auf allen Bergen ebenſo häufig vorgekommen ſein wie in der Höhe; gegenwärtig findet man ſie bloß hier und da und immer nur vereinzelt in dem tieferen Gebirge. Die unabläſſige Verfolgung, welcher ſie ihres Felles wegen ausgeſeßt iſt, hat ſie in die Höhe getrieben. Man hat ſchon von alters her ihr eifrig nachgeſtellt und wendet auch jeßt noch faſt genau dieſelben Fagdweiſen an wie früher. Die Europäer erlegen ſie zwar ab und zu mit dem Feuergewehre oder mit der Armbruſt; doch bleibt dieſe Jagd immer eine mißliche Sache, denn wenn eine Chinchilla nicht ſo getroffen wird, daß ſie augenbli>li< verendet, ſ{hlüpft ſie regelmäßig noch in eine ihrer Felſenrißen und iſ dann für den Jäger verloren. Weit ſicherer iſt die Jagdart der Jndianer. Dieſe ſtellen gut gearbeitete Schlingen vor allen Felsſpalten auf, zu denen ſie gelangen können, und löſen am anderen Morgen die Chinchillas aus, welche ſich in dieſen Schlingen gefangen haben. Außerdem betreibt man leidenſchaftlich gern die Jagd, welche wir ebenfalls bei den Kaninen anwenden. Die Fndianer verſtehen es meiſterhaft, das peruaniſche Wieſel (Mustela agilis) zu zähmen und zur Jagd der Chinchillas abzurichten; dann verfährt man genau ſo wie unſere Frettchenjäger oder überläßt es auh dem Wieſel, das von ihm im Fnneren der Höhle getötete Tier ſelbſt herbeizuſchleppen.

Tſchudi erwähnt, daß ein einziger Kaufmann in Molinos, der weſtlichſten Ortſchaft der La Plataſtaaten, früher alljährlih 2—3000 Dußend Chinchillafelle ausführte, ſchon im

39