Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

612 Siebente Ordnung: Nager; zwölfte Familie: Haſenmäujſe.

Fahre 1857 aber nur no< 600 Dußend in den Handel bringen konnte. „Mehrere der indianiſchen Jäger“, ſo berichtet er, „beklagten ſich in meiner Gegenwart über die große Verminderung dieſer Tiere und die ſtets vermehrte Schwierigkeit ihres Fanges. Das ſind die Folgen der unabläſſigen, unnachſihtlihen Verfolgung. Der Chinchillajäger, ſobald er den Erlös ſeiner Beute verpraßt hat, kauft aus einem Vorſchuſſe auf künftige Jagden einige Lebensmittel und begibt ſi<h damit in die wildeſten Gebirgsteile. Hier leben dieſe niedlichen Tierchen in faſt unzugänglichen Felſenrißen oder am Fuße der Felſen in ſelbſtgegrabenen Höhlen. Sie ſind ungemein ſcheu, und jede fremdartige Erſcheinung oder ein ihnen ungewohntes Geräuſch treibt ſie blißſ<hnell in ihre ſiheren Shlupfwinkel, wenn ſie in geringer Entfernung davon äſen oder, was ſie beſonders gern thun, in der Sonne ſpielen. Der Chinchillafänger ſtellt in den ihm ſchon bekannten oder bei ſeinen beſhwerlihen Wanderungen dur ſeinen Adlerbli> neuentde>ten Siedelungen vor die Eingangslöchher Schlingen aus ſtarkem Roßhaare oder einfahe Schlagfallen und wartet, in einiger Entfernung wohlverſte>t, auf den Erfolg. Die neugierigen Chinchillas fahren, ſobald ſie ſi ſiher glauben, ſchnell aus ihren Verſte>en und bleiben entweder in den Schlingen hängen, oder werden von den Fallen totgeſhlagen. Der Jndianer eilt herzu, löſt ſie aus und richtet ſeine Fangwerkzeuge von neuem. - Nun aber dauert es länger, ehe die eingeſ<hücterten Tiere wie: derum ihren Bau verlaſſen. Sind mehrere von ihnen gefangen, ſo bleiben die übrigen au< wohl 1—2 Tage in ihren Höhlen, ehe ſie von neuem wagen, ins Freie zu gehen, ein Verſuch, den ſie gewöhnlih mit dem Leben bezahlen. Es iſt leiht einzuſehen, daß der zähe und geduldig ausharrende Jndianer auf dieſe Weiſe eine ganze Siedelung ausrotten kann; denn ſ{ließli< treibt der Hunger die lebten Chinchillas der Geſellſchaft in die Schlingen. Geſchoſſen werden die Chinchillas niht; denn erſtens flüchten ſich ſelbſt die ſehr [hwer ver: wundeten in ihre Höhlen und ſind dann verloren, zweitens aber beſ<mußt das Blut der Wunden die außerordentlich feinen Haare ſo ſehr, daß ſolche Felle ſehr viel an Schönheit und Wert verlieren. Nah mehrwöchentlihem Aufenthalte in den Kordilleren kehrt der Chinchillajäger mit ſeiner Beute nah Molinos zurü> und empfängt für je ein Dußend Felle 5— 6 Peſos (20—24 Mark).

Fn Nord- und Mittelchile wird die Chinchilla dur< die Wollmaus erſet. Jn der Lebensweiſe ſcheint dieſe Art ganz der vorigen zu ähneln, wie ſie ihr auh in der äußeren Geſtaltung und der Färbung des Pelzes nahe ſteht. Sie iſt aber viel kleiner; denn ihre geſamte Länge beträgt höhſtens 35—40 cm, wovon der Schwanz ungefähr ein Drittel wegnimmt. Die dicht ſtehenden, weichen Pelzhaare werden auf dem Rüden 2 em, an dem Hinterteile und den Seiten 3 em lang. Jhre Färbung iſt ein lihtes Aſhgrau mit dunkler Sprenkelung; der Unterteil und die Füße ſind matt graulich oder gelblih angeflogen. Auf der Oberſeite des Schwanzes ſind die Haare am Grunde und an der Spigze ſhmußig weiß, in der Mitte braunſchwarz, die Unterſeite des Schwanzes aber iſt braun.

Auch von der Wollmaus kamen erſt auf vielfache Bitten der Naturforſcher einige Schädel und ſpäter lebende Tiere nah Europa, obwohl ſchon ſehr alte Reiſende ſie erwähnen. Hawkins, welcher ſeine Reiſebeſhreibung 1622 herausgab, vergleicht die Wollmaus mit dem Eichhörnchen, und Ovalle ſagt, daß ſich dieſe Eichhörnchen nur im Thale Guasco fänden und wegen ihrer feinen Pelze außerordentlich geſhäßt und verfolgt würden. Molina machte uns ums Ende des vorigen Jahrhunderts mit ihr bekannt. Er ſagt, daß die Wolle dieſer Art ſo fein ſei wie die Fäden, welche die Gatterſpinnen machen, und dabei ſo lang, daß ſie geſponnen werden kann. „Das Tier wohnt unter der Erde in den nördlicheren Gegenden von Chile und hält ſi< gern mit anderen Verwandten zuſammen. Seine Nahrung beſteht aus Zwiebeln und Zwiebelgewächhſen, welche häufig in jenen Gegenden wahſen. Es