Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Afrikaniſche Haſen. Kaninchen. 635

und des unzweifelhaft vernommenen Pfeifens der Scrotkörner ſchaut er nah einer Raſt von einigen Minuten dem Schüben von neuem ſo widerwärtig zudringlih in das Rohr wie früher. Wenn man nicht auf ihn ſchießt, fann man ihn aus demſelben Buſche tagelang nacheinander herausjagen; denn man wird ihn immer und immer wieder an dem einmal von ihm gewählten Orte finden. |

Es läßt ſi niht beſchreiben, wie langweilig und abſtoßend die Jagd dieſes Haſen für einen Jäger iſ, welcher früher mit dem nordiſchen Vetter zu thun gehabt hat. Man wird angewidert von dem albernen Geſellen und \{<hämt ſi< förmlich, einem ſo dummen Narren auf das Fell zu brennen. Ganz anders verhält ſich die Sache, wenn ein Hund, und wie man hieraus mit Recht \hließen kann, ein Fus, Schakal oder Wolf den Erneb aufſcheuht. Er weiß ſehr genau, daß eine kurze Flucht oder ein Verbergen unter dem Buſche ihn niht retten kann und gebraucht ſeine Läufe genau mit derſelben Uusdauer wie Freund Lampe. Dank ſeiner Behendigkeit entkommt er auh meiſtens dem vierbeinigen Jäger; dafür lauert freilich in der Höhe ein gar ſchlimmer Feind, der Raubadler nämlich, welcher nur auf ſolche Gelegenheit wartet, um auf den über eine kahle Fläche wegeilenden und ſomit einige Augenblide lang unbeſchüßten Nager herabzuſtoßen. Er nimmt ihn ohne weiteres vom Boden auf und erdroſſelt den ihm gegenüber Wehrloſen, noh ehe dieſer re<t weiß, was ihm geſchieht, in ſeinen gewaltigen Fängen.

Andere afrikaniſche Haſen (Lepus saxatilis, L. crassicaudatus, L. capensis), die in Oſt=, Weſt- und Südafrika vorkommen, gleichen in ihrem Weſen durhaus nicht dem Erneb, ſondern unſerem Feldhaſen. Sie ſind ſcheu wie dieſer und nict leiht zu ſchießen, da ſie beim Flüchten in der Steppe dur< Geſtrüpp und Graswuchs gut gede>t werden. Unter den Eingeborenen in Weſtafrika gibt es Jagdliebhaber, welche zwar mit ihren Steinſchloßflinten nict auf flüchtiges Wild ſchießen, dafür aber von den gemeinen Dorfhunden etliche, die dann wertgehalten werden, wirklih zur Jagd abgerichtet haben. Sie durchſtöbern mit ihnen Geſtrüpp- und Grasbeſtände und heßen ſie, wenn ein Haſe aufgeſtoßen wird, dieſem nach, wobei ſie natürlich ſelbſt um die Wette mitlaufen. Sie müſſen es auch, wenn ſie etwas vom Wildbret haben wollen; denn die Hunde ſchneiden den Haſen an, ſobald ſie ihn gegriffen haben, und freſſen ihn auf, wenn niht ihr Herr ſehr bald herankommt. Merkwürdig iſt es immerhin, daß dieſe verkümmert ausſehenden Hunde den ſchnellen und Haken ſchlagenden Haſen einzuholen vermögen; es gelingt ihnen aber faſt regelmäßig innerhalb eines Laufes von 300—500 Schritt Länge, und eine Fehljagd gehört, wenigſtens in flahem Gelände, zu den Ausnahmen.

Von den eigentlichen Haſen unterſcheidet ſih das Kaninchen (Lepus cuniculus) dur weit geringere Größe, \ſ{<lankeren Bau, kürzeren Kopf, kürzere Ohren und kürzere Hinterbeine. Die Körperlänge des Tieres beträgt 40 cm, wovon 7 cm auf den Schwanz fommen, das Gewicht des alten Rammlers 2—s8 kg. Das Ohr iſt kürzer als der Kopf und ragt, wenn man es niederdrü>t, niht bis zur Schnauze vor. Der Schwanz iſt einfarbig, oben ſ<warz und unten weiß, der übrige Körper mit einem grauen Pelze bekleidet, welcher oben ins Gelbbraune, vorn ins Rotgelbe, an den Seiten und Schenkeln ins Lichtroſtſarbene ſpielt und auf der Unterſeite, am Bauche, der Kehle und der Fnnenſeite der Beine in Weiß übergeht. Der Vorderhals iſ roſtgelbgrau, der obere wie der Na>ken einfarbig roſtrot. Abänderungen ſcheinen ſeltener als beim Feldhaſen vorzukommen.

Faſt alle Naturforſcher nehmen an, daß die urſprüngliche Heimat des Kaninchens Südeuropa war, und daß es in allen Ländern nördlich von den Alpen erſt eingeführt wurde. Plinius erwähnt es unter dem Namen Cuniculus, Ariſtoteles nennt es Dasypus. Alle