Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Kaninchen: Schädlichkeit. Zucht. Spielarten. 639

Das Wildbret des Kaninchens iſt weiß und wohlſhme>end; der Balg wird wie der des Haſen verwendet.

Unſer zahmes Kaninchen, welches wir gegenwärtig in verſchiedenen Färbungen züchten, iſt unzweifelhaft ein Abkömmling des wilden; denn dieſes kann man in kurzer Zeit zähmen, jenes verwildert binnen wenigen Monaten vollſtändig und erzielt eine Nachkommenſchaft, welche zur Färbung des wilden zurückkehrt. Während unſerer Jugendzeit hielten wir man<hmal eine bedeutende Anzahl von Kaninchen. Unter ihnen hatten wir einige, welche von ihrem Stalle aus Hof und Garten beſuhten. Dieſe warfen ſtets nur graue Funge, obgleich die Mutter weiß und der Vater geſche>t war. Man hält die zahmen Kaninchen in einem gepflaſterten oder gedielten Stalle, in welchem man künſtlihe Schlupfwinkel angelegt hat, entweder lange Kaſten mit mehreren Löchern oder künſtlihe Baue im Gemäuer, gibt ihnen viel Stroh und tro>enes Moos, ſhüßt ſie gegen die Kälte im Winter und füttert ſie mit Heu, Gras, Blättern, Kohl 2c. Leicht kann man ſie gewöhnen, ſich die ihnen vorgehaltene Nahrung ſelbſt wegzunehmen; ganz zahm aber werden ſie ſelten, und wenn man ſie angreift, verſuchen ſie gewöhnlih zu fraßen und zu beißen. Sie ſind weniger verträglich als die wilden. Zuſammen aufgewachſene leben zwar ſehr gut miteinander, fremde aber werden von der Jnwohnerſchaſt eines Stalles oft arg gemißhandelt, ja ſogar totgebiſſen. Fn Sachen der Liebe wird tüchtig gekämpft, und manche tragen dabei ziemlih bedeutende Wunden davon. Das Weibchen baut in ſeiner Höhlung ein Neſt aus Stroh und Moos und füttert es ſehr ſ{hön mit ſeinen Bauhhaaren aus. Es wirft gewöhnlih zwiſchen 5 und 7, man<hmal aber au< mehr Junge. Lenz hat ſih die Anzahl der Fungen, welche ein Weibhen in einem Jahre geworfen hatte, aufgeſchrieben: Am 9. Januar brachte das Weibchen 6, am 25. März 9, am 30. April 5, am 29. Mai 4, am 29. Funi 7, am 1. Auguſt 6, am 1. September 6, am 7. Oktober 9 und am 8. Dezember 6, in einem Fahre alſo 58 Funge.

Bei guter Nahrung werden die Kaninchen zuweilen ſehr dreiſt, kraßen und beißen nicht bloß den, der ſie fangen will, ſondern auch aus freien Stücken andere Tiere, namentlich wenn ſie ihren Neid erregen. Ein Shwager von Lenz hatte einen alten Kaninchenrammler bei ſeinen Lämmern. „Als die Fütterung mit Eſparſette begann, behagte dieſe dem alten Herrn ſehr gut, und er hätte gern das ganze bißchen ſelbſt in Beſchlag genommen. Er ſeßte ſich alſo dabei, grunzte, biß na< den Lämmern, ſprang ſogar einem auf den Hals und gab ihm die Zähne tüchtig zu koſten. Zu Hilfe eilende Leute warfen ihn zwar herab, er biß aber immer wieder nah den Lämmern, bis er fortgeſchafft wurde. Ein anderer biß einer jungen Ziege die Beine blutig, ſprang der alten auf das Geni> und biß ſie in die Dhren. Er mußte abgeſchafft werden.“ Sehr alte Rammler beißen zuweilen auch ihre Jungen oder das Weibchen oder verlo>en dieſes, ſeine Kinder ſ{hle<t zu behandeln. Wenn eine Kaninchenmutter ihr Gehe> niht gut ſäugt oder gar totbeißt, gibt es nur ein Mittel, dieſe zu retten: Abſperrung des Rammlers.

Räude und Durchfall ſind die gewöhnlichen Krankheiten der Kaninchen; dieſer wird meiſt dur zu ſaftiges oder zu naſſes Futter hervorgerufen und folgereht dur gutes, tro>enes Futter geheilt. Gegen die Näude helfen im Anfange Einreibungen mit Fett oder Butter. In manchen Gegenden hält man viele Kaninchen, um das Fleiſch zu nüßen. Fn Frankreich und Belgien wird die Zucht in großartigem Maßſtabe betrieben.

Raſſen oder Spielarten des Hauskaninchens ſind das ſilberfarbene, das ruſſiſche und das angoriſche oder Seidenkaninchen. Erſteres iſt größer als das unſerige, gewöhnlich von bläulichgrauer Farbe mit ſilberfarbenem oder dunklem Anfluge. Das ruſſiſche Kaninchen iſt grau, der Kopf mit den Ohren braun und zeichnet ſi<h durch eine weit herabhängende Wamme an der Kehle aus. Das angoriſche oder Seidenkaninchen endlih hat tkürzere Ohren und einen ſehr reihlihen, weichen Pelz; ſein langes, gewelltes Haar reicht oft