Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

640 Siebente Ordnung: Nager; dreizehnte Familie: Haſen.

bis zum Boden herab und hat ſeidenartigen Glanz. Leider iſt es ſehr zärtlih und verlangt deshalb ſorgfältige Pflege. Verſuche, es in Deutſchland heimiſh zu machen, ſ<lugen fehl.

Als eine aus dem Hauskaninchen entſtandene neue wilde Art kann das Porto SantoKaninchen (Lepus huxleyi) gelten. Haedel, der ihm ſeinen wiſſenſchaftlihen Namen gab, ſ<hreibt darüber: „Auf der kleinen Jnſel Porto Santo bei Madeira wurden im Jahre 1419 einige Kaninchen aus8geſeßt, die an Bord eines Schiffes von einem zahmen ſpaniſchen Kaninchen geboren worden waren. Dieſe Tierchen vermehrten ſich in kurzer Zeit, da keine Raubtiere dort waren, ſo maſſenhaft, daß ſie zur Landplage wurden und ſogar eine dortige Kolonie zur Aufhebung zwangen. Noch gegenwärtig bewohnen ſie die Fnſel in Menge, haben ſih aber im Laufe von 450 Jahren zu einer ganz eigentümlichen Spielart oder, wenn man will, „guten Art‘ entwielt, ausgezeihnet dur eigentümlihe Färbung, rattenähnliche Form, geringe Größe, nächtliche Lebensweiſe und außerordentliche Wildheit. Das Wichtigſte jedo< iſt, daß ſi dieſe neue Art, die ih Lepus huxleyi nenne, mit dem europäiſchen Kaninchen, von dem ſie abſtammt, niht mehr kreuzt und keine Baſtarde mehr mit ihm erzeugt.“

Dagegen hat man wiederholt vollkommen fortpflanzungsfähige Baſtarde von Haſe und Kaninchen erzielt und namentli<h in Frankreih weiter gezüchtet, ſogenannte Haſen - Kaninhen oder Leporiden. Sie wurden von Hae>el Lepus darwinii benannt, ſeinen aber no< feine feſten Artmerkmale angenommen zu haben.

Das Haar des Seidenkaninchens eignet ſich zu feinen Geſpinſten und hat deshalb einen ziemlih hohen Wert. Vom gemeinen wilden Kaninchen wird das Haar zur Filzbereitung benußtt; die Anzahl der verbrauchten Felle iſ nicht feſtzuſtellen. Von gewöhnlichen zahmen Kaninchen gelangen, nah Lomer, jährlich etwa 5 Millionen Felle auf den Mart, wo ſie eine bedeutende Rolle ſpielen. Von den vornehmlich in Frankreich und Belgien gezüchteten größeren Kaninchenraſſen werden jährlih mehrere Millionen Felle, meiſt <warz oder braun gefärbt, nah Amerika, Deutſchland, England und Rußland ausgeführt und zu Pelzwerk verarbeitet; das Stück wird mit 1—2,5 Mark bezahlt. Die Felle des engliſhen „Silberkanin“ gelten 0 «4—1 Mark das Stü. '

Die in Aſien heimiſchen Pfeifhaſen (Lagomys) unterſcheiden ſih von den Haſen durch die weit kürzeren Ohren, die kaum verlängerten Hinterbeine, den niht ſichtbaren Schwanzſtummel und durch ihr Gebiß, welches nur 5 (anſtatt 6) Ba>kenzähne in jeder Reihe enthält. Die oberen Nagezähne haben eine beträchtliche Breite und ſind tief gerinnelt wodur ſie in zwei Spizen geteilt werden, die unteren klein und ziemlih ſtark gekrümmt.

Dex Alpenpfeifhaſe (Lagomys alpinus, Lepus alpinnus), eine der bekannteren Arten, erinnert in Geſtalt und Größe an das Meerſhweinchen; doch iſt der Kopf länger und ſhmäler und die Schnauze weniger ſtumpf als bei dieſem. Der Leibesbau iſt gedrungen, der Schwanz äußerlih ganz unſichtbar und nux durch einen Éleinen Fetthö>er angedeutet, das mittelgroße, eirunde Ohr auf der Außenſeite faſt na>t. Auf der Oberſeite zeigt der rauhe, dichte und kurze Pelz auf rötlichgelbem Grunde eine feine {<hwarze Sprenkelung, während die Seiten und der Vorderhals einfarbig roſtrot erſcheinen; die Unterſeite und Beine ſind licht o>ergelb; die Kehle iſt graulich, die Außenſeite der Dhren ſ{hwärzlih, die Jnnenſeite gelblih. Einzelne Stücke ſind vollkommen einfarbig und tiefſ{<warz gefärbt. Erwachſene Alpenpfeifhaſen werden etwa 25 em lang.

Pallas hat die erſten Mitteilungen über das Leben der Pfeifhaſen gegeben, Radde weitere Beobachtungen veröffentlicht, Prſhewalski neuerdings beider Berichte weſentlich vervollſtändigt. Alle Pfeifhaſen finden ſi< auf den hohen Gebirgen Fnneraſiens zwiſchen 1000 und 4000 m über dem Meere. Hier leben ſie als Standtiere auf den felſigen, wilden,