Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, S. 260
226 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.
gleichſtarken kämpfen ſie um den Stand und um die Schafe. Jhre n werden nah Art der Widderkämpfe ausgefochten.
Das Argaliſchaf bringt 7 Monate nach der Paarung 1 oder 2 Lämmer zur Welt eine jüngere Mutter regelmäßig wahrſcheinlih nur eines, eine ältere dagegen deren zwei. Die Lämmer ſind merkli< größer als die des Hausſchafes: ihre Länge beträgt 65 die Schulterhöhe 54 cm. Die vorherrſchende, gleihmäßig graufahle Färbung geht auf dem Vorderkopfe und Shnauzenrü>en in Dunkelgrau, auf dem Spiegel in Graulih-Fſabell auf der Unterſeite, zumal in der Achſel- und Weichengegend, in Blaßgelb über; ein kurzer Streifen auf dem Kreuze ſieht ebenfalls dunkelgrau aus. Die Lämmer folgen den Müttern wenige Stunden nach ihrer Geburt auf allen Wegen, auch den ſhwierigſten Pfaden, nah und eignen ſi bald deren Lauf: und Kletterfertigkeit an. Droht ihnen in den erſten Tagen ihres Lebens eine Gefahr, welcher ſie no< nicht zu entrinnen vermögen, ſo duen ſie ſi<, wahrſcheinlich auf ein Zeichen ihrer Alten, in dem Gefelſe zwiſchen Steinen nieder, legen Hals und Kopf platt auf den Boden, werden gewiſſermaßen zu einem lebendigen Steine und entziehen ſich dadur<h dem Auge vieler Feinde, zumal dieſe durch die vor ihnen weiterflüchtende Alte gefeſſelt und abgelenkt werden. Jn dieſer Lage liegen ſie ſehr feſt und entfliehen erſt, wenn ein Feind ſie aufſtößt. Wird ihre Mutter unverſehens getötet, ſo drü>en ſie ſich ebenfalls. Sie ſind allerliebſt, anmutig, behende und gewandt in jeder Bewegung, ſaugen nah Art aller Zi>lein, unter derben Stößen gegen das Euter, umſpringen ſpielluſtig die Alte und blöken, wenn ſie hungrig werden, faſt wie Hauslämmer, jedo< merklih gröber. Bis zur nächſten Paarungszeit bleiben ſie in Geſellſchaft ihrer Mütter, beſaugen dieſe aber ſo lange, wie es die Alte duldet.
Die Bewegungen des Argalis entſprechen ſeinem kräftigen, gedrungenen und denno< niht unzierlihen Baue. Sein gewöhnlicher Lauf, ein raſcher Trab, fördert bedeutend; die ſchnellſte Gangart, welche ih ſah, iſt ein ungemein leihter Galopp, bei wel<hem Vorder- und Hinterteil des Tieres abwechſelnd hoh aufgeworfen werden. Während der Flucht ziehen geſellte Argaliſchafe faſt unwandelbar in einer Reihe hintereinander, ganz ebenſo, wie Steinund Gem8wild zu thun pflegen. Auf dem Gefelſe bewegen ſie ſih mit ebenſoviel Kraft und Geſchi> als Behendigkeit und Sicherheit, erklimmen , anſcheinend ohne alle Anſtrengung, ſteil abfallende Felſenwände, überſpringen ohne Beſinnen weite Klüfte oder ſeßen ohne Bedenken in bedeutende Tiefen hinab. „Die Erzählungen, daß ſih der Bod bei Gefahr in tiefe Abgründe ſtürze und dann immer auf die Hörner falle“, ſagt Prſhewalski, „ſind reine Erfindungen. J< habe dur< eigene Anſchauung mich ſelbſt davon überzeugt, daß ein Argali aus einer Höhe von 6—10 m hinabſprang, aber immer auf die Füße fiel, ja, daß er ſich ſogar bemühte, am Felſen hinabzugleiten, um den Fall abzuſhwächen. “ Selten handeln Argalis ohne Beſinnung; ebenſo ſelten beſchleunigen ſie ihren Lauf zu unüberlegter Eile; ebenſowenig aber mindern ſie die ihnen eigene Schnelligkeit in Lagen, welche bei weniger geübten Bergſteigern Bedenken erregen würden, gleichviel, ob ſie auf: oder abwärts klettern. Getrieben, bleiben ſie oft ſtehen, erkflettern während der Flucht auh regelmäßig alle im oder am Wege liegenden Höhen oder Berggipfel, um von ihnen aus zu ſichern, und ſeßen erſt, wenn die Treiber ihnen wiederum näher gekommen, ihren Lauf fort; nur beim Überſchreiten weiterer Thäler ziehen ſie ohne Unterbrehung dahin.
Jhre Sinne ſcheinen vortrefflih und einheitlih entwi>elt zu ſein. Sie ſehen, hören und wittern ausgezeichnet, ſind le>er, wenn ſie es ſein können, und werden wohl auch hinſichtlih des Gefühles niht verkürzt ſein. Fn ihrem Weſen ſpricht ſich Bedachtſamkeit und Selbſtbewußtſein aus; auh Urteils- und Erkennungsvermögen darf man ihnen zugeſtehen. Da, wo wiederholte Verfolgung ſie gewißigt hat, zeigen ſie ſih ſtets vorſichtig, wenn auh niht gerade ſcheu, unter entgegengeſezten Umſtänden überraſchend vertrauensſelig.