Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, S. 282
248 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.
Schafo<hſen. Jm Verhältniſſe zu den Kühen gibt es immer nux wenige Stiere bei der Herde, ſelten mehr als 2 oder 8 vollkommen erwa<hſene, weil ſie um die Paarungszeit heftige Kämpfe miteinander beſtehen und \ih gegenſeitig vertreiben, wobei wohl auch, wie die oft gefundenen Leichname von Stieren zu beweiſen ſcheinen, einer den anderen ums Leben bringt. Während des Sommers halten ſi dieſe Herden im Norden des feſtländiſchen Amerika mit Vorliebe in der Nähe von Flüſſen auf, ziehen aber mit einbrehendem Herbſte mehr ſüdwärts; gleichzeitig ſammeln ſie ſih auch zu größeren Scharen, wogegen ſie ſrüher mehr vereinzelt weideten. Wenn eine feſte Eisde>e es ermöglicht, ſieht man ſie in langen Zügen von einer Jnſel zur anderen wandern, um ein zeitweilig an Nahrung reiches Gebiet auf: zufinden, welches ſie, nahdem ſie es ausgenußt, genau in derſelben Weiſe verlaſſen. Wie weit ſie ihre Wanderungen ausdehnen, iſt no< unbekannt; es ſcheint aber, daß ſie im höch: ſten Norden ihre Standgebiete auh im Winter niht gänzlich verlaſſen, auh wenn ſie ſ{<ließli alle Nahrung unter dem tiefen Schnee hervorſcharren müſſen. Einzig und allein ihre außerordentlihe Genügſamkeit ermögliht es ihnen, den furhtbaren Winter zu überſtehen. Langſam und bedächtig durhwandern ſie die endloſe Schneewüſte, um nach den ihnen Unterhalt verſprechenden Stellen zu gelangen. Mit der Schneeſhmelze beginnt für ſie die an Nahrungsſorgen ärmſte, aber doh an anderen Leiden wieder reiche Zeit. Gegenüber einem ſolchen Winter, welcher ihnen bloß tief unterm Schnee vergrabene kümmerliche Âſung darbietet, ernähren ſie ſih jezt mühelos von dem für kurze Zeit wenigſtens ſtellenweiſe üppig gedeihenden niederen Pflanzenwuchſe, haben aber nunmehr ſehr viel von den manchmal in wahrhaft ungeheuern Shwärmen auſtretenden Mücken zu leiden und gleichzeitig die Härung zu überſtehen. Dieſe ſcheint wegen des diden Wollvließes nict leiht vor ſich zu gehen: ſie wälzen ſi, wohl auh um eine Shußkruſte gegen ihre Peiniger anzulegen, häufig in Tümpeln und Moräſten und ſcheinen während dieſer Zeit engere Standorte einzuhalten; erſt nachdem ſie ſich vollſtändig gehärt haben, durchziehen ſie wieder geduldig und beharrlih die weiten Gebiete ihrer traurigen Heimat.
Ende Auguſt paaren ſi die Tiere, und Ende Mai, alſo nah 9 Monaten, bringt die Kuh ihr Kalb zur Welt: ein kleines, ungemein niedliches Geſchöpf, welches von der Alten auf das zärtlichſte geliebt und nötigen Falles mit größtem Mute verteidigt wird. Bei einer ihrer Schlittenreiſen trafen Mitglieder der zweiten deutſchen Nordpolarfahrt in einem breiten Thale mit verhältnismäßig üppiger Pflanzenwelt 11 ausgewachſene Schafrinder und 3 Kälber, welche dort friedlich weideten. Einige von den Tieren ließen die Fremdlinge anfänglih ſcheinbar fur<htlos und unbekümmert nahe herankommen, nahmen dann aber doh Reißaus; 3 andere dagegen, denen 2 Kälber folgten, ſebten ſi in Verteidigungsſtellung, drängten ſih dicht aneinander, ſenkten die Köpfe und ſ<naubten ängſtlih und wild, ohne jedo<h wirklih zum Angriffe zu ſchreiten. Die Kälber ſtanden hinter den ausgewacſenen Tieren und wurden ſtets wieder zurüS&geſchi>t, wenn ſie neugierig hervorkbommen wollten. Ein paar Süſſe jagten die mutigen Tiere in die Flucht, und nunmehr legten die Alten, Stiere wie Kühe, eine bemerkenswerte Sorgfalt an den Tag, daß auch bei dem ſchnellſten Laufen keines von den Kälbern zurü>bleibe. Leßtere eilten, obgleich ſie höhſtens 14 Tage alt ſein. konnten, auf ihren wie bei ſo vielen jugendlichen Vierfüßlern unverhältnismäßig langen und dünnen Beinen mit überraſchender Geſchwindigkeit davon und kamen ihren Feinden bald aus dem Geſichte.
Die Schafochſen bewegen ſih, ungeachtet ihrer plumpen Geſtalt, mit bewunderung®würdiger Leichtigkeit, laut Roß, mit der Gewandtheit und Behendigkeit der Antilopen. Ziegen gleich klettern ſie auf den Felſen umher, ohne irgend welche Anſtrengungen erklimmen ſie ſteile Wände, und ſhwindelfrei bli>en ſie von der Höhe in die Tiefe hinab. „Es war wirklich ein ſ{höner Anbli>“, ſo ſchildert Copeland, „ſie an einem ſteilen, mit loſen Steinen