Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

16 Neunte Drdnung: Rüſſeltiere.

Heben ſchwerer Laſten, oder zum Umbrechen großer Bäume. Nur ausnahmsweiſe wird mil ihm ein Schlag ausgeteilt oder na<h einem Menſchen gegriffen, und zwar auch dann ſehr ſelten, wenn die Bändiger in der Umpfählung zwiſchen fiſ< eingefangenen und kampf{luſtigen Tieren umherſchlüpfen. Der Rüſſel iſ ein ſehr empfindlicher Körperteil; deshalb wird er bei allen Zuſammenſtößen und rauhen oder gefährlichen Verrichtungen ſorgfältig in aht genommen und zu dieſem Zwecke möglichſt eng aufgerollt. Auf Grund vielfacher Beobachtungen verſichert Sanderſon ausdrü>lih, daß der indiſche Elefant ſtets nur mit eng aufgerolltem Rüſſel auf einen Gegner losgehe; über den afrikaniſchen teilt Selous uns briefli<h mit: „ih habe niemals einen Elefanten mit ho<hgehaltenem Rüſſel angreifen ſehen“. Der Rüſſel wird hauptſächli<h gebraucht, um Futter zu ergreifen, Waſſer aufzunehmen und beides in das Maul zu befördern, ſowie zum Wittern und Taſten. Hat ſih ein Elefant den Rüſſel verleßt, ſo muß ex, wenn ex ſeinen Durſt löſchen will, in tiefes Waſſer waten und in der gewöhnlichen Weiſe der Tiere trinken, während er mit dem geſunden das Waſſer aufſaugt und ſih in das Maul bläſt. Mit ihm bricht er Aſtwerk ab, wohl auh ſ<hwache Bäumchen, aber gegen ſtärkere verwendet er den Fuß zum Drücken, und zum Schieben bedient er ſih außerdem auc des Kopfteiles unterhalb der Augen, wo der Nüſſel anſezt. Wenn er im Dienſte des Menſchen ſ{<hwere Laſten heben ſoll, ſo nimmt er den daran befeſtigten Stri>k ins Maul, legt ihn auch zugleich über einen ſeiner Stoßzähne, falls er ſolche beſizt; deshalb ſind bewehrte Elefanten, wie hon Melchior richtig beobachtet und mitgeteilt hat, leiſtungsfähigere Arbeiter als Mu>nas oder Weibchen. Die Stoßzähne werden au ſonſt no< zu mancherlei Verrichtungen benußt, immer aber, wie der Rüſſel, mit großer Vorſicht und gewiß niht als Hebel zum Fortwälzen von Steinblö>en oder zum Auſwühlen von Baumwurzeln. Sie dienen dem Elefanten vorzugsweiſe als Waffen zur Abwehr oder zum Angriffe und werden im übrigen ſoviel wie möglih geſchont, weil ſie immerhin verhältni8mäßig leiht abbrehen. Männchen mit verleßten Stoßzähnen oder wenigſtens einem teilweiſe oder gänzlih abgebrohenen kommen allenthalben vor. Mercer ſandte an Tennent die Spiße eines Elefantenzahnes von 12 em im Durchmeſſer und 12 kg Gewicht, welhe im Kampfe von einem anderen Elefanten abgeſchlagen worden war. Eingeborene hatten ein eigentümlihes Geräuſch gehört, waren dem Schalle nahgegangen und hatten den Vorgang geſehen.

Alle höheren Fähigkeiten des Elefanten ſtehen im Einklange mit den bereits erwähnten Begabungen. Das Geſicht ſcheint niht beſonders entwi>elt zu ſein; wenigſtens hegen alle Jäger die Meinung, daß das Geſichtsfeld des Tieres ſehr beſchränkt iſt. Um ſo beſſer aber ſind Geruch und Gehör ausgebildet, und Geſhma> und Gefühl, wie man an gefangenen ſih leiht überzeugen kann, wenigſtens verhältnismäßig fein. Von dem ſcharfen Gehöre des Tieres wiſſen alle Jäger zu berihten. Der geringſte Laut iſt hinreichend, um einen Elefanten aufmerkſam zu machen; das Brechen eines kleinen Zweiges genügt, um ſeine Behaglichkeit zu unterbrechen. Der Geruch iſt vorzüglich entwi>elt und ermöglicht es den Tieren, auf außerordentlih weite Entfernungen zu wittern; kein Jäger iſt im ſtande, mit dem Winde ihnen einigermaßen nahezukommen. Selous erzählt, daß das Leittier einer im Gänſemarſche wandernden Herde, das im tro>enen Sande auf ſeine niht mehr ganz friſche Spur ſtieß, ſofort ſtußte, einige Sekunden ſicherte, dann umkehrte und davonlief. Und Sanderſon hat beobachtet, daß gezähmte Elefanten ihre Verwandten in der Wildnis bei günſtigem Winde bis 3 engliſche Meilen weit witterten. Jm Rüſſel hat au< der Taſtſinn ſeinen bevorzugten Siß, und zumal der fingerförmige Fortſaß an der Spie wetteifert an Feinheit der Empfindung mit dem geübten Finger eines Blinden.

Die Stimme des Elefanten iſt ausgiebig, und die Laute, mit denen er ſeine Erregungen kfundgibt, ſind mannigfaltig. Behagen drü>t er aus dur ein ſehr leiſes Murmeln oder