Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Elefanten: Leben8weiſe. Einſiedler. Geiſtiges Weſen. 19

Jnwieweit dieſe Angaben auc für den afrikaniſchen Elefanten gelten dürfen, muß noh unentſchieden bleiben, denn ihn kennen wir am wenigſten. Kirk und von Heuglin melden "übereinſtimmend aus öſtlihen und nördlichen Gebieten, daß die männlichen und weiblichen Tiere beſondere Rudel bilden, welche ſih nur während der Paarzeit geſellen, und daß man auch in Afrika Einſiedler bemerkt, deren Weſen nie zu trauen iſt, weil ſie gelegentlich, ohne herausgefordert zu ſein, einen Menſchen angreifen ſollen. Selous, der im Süden jagte und beobachtete, ſpricht niht ausdrü>li< davon, daß die Geſchlechter getrennte Herden bilden, und hat jedenfalls häufig gemiſchte Herden angetroffen.

Die Bewegungen des Elefanten ſind gemeſſen und bedacht, er iſt ruhig und auch vertraut, wo ex im Menſchen no niht ſeinen Todfeind hat erkennen lernen. Es iſt unrichtig, zu ſagen, daß er ein reizbares Tier ſei, denn er iſt in Wirklichkeit friedfertig, harmlos und furchtſam. Ungereizt greift er äußerſt ſelten an, weicht im Gegenteile allen Tieren, ſelbſt feinen, vorſichtig aus. Ebenſo friedlih würden die Elefanten auh mit dem Menſchen leben, wenn ſie von ihm niht ſo ſhonungslos verfolgt würden.

Die geiſtigen Fähigkeiten des Elefanten ſind namentlich von denen, die ihn als Zögling des Menſchen, niht aber im Freileben beobachteten, ret ſehr überſhäßt worden. Auch die meiſten Erzählungen von der Klugheit und Überlegung gezähmter Elefanten, die immer wieder vorgebraht werden: wie die vom Schneider, der dem Elefanten ſtatt der gewohnten Süßigkeiten einmal einen Nadelſtih verabfolgte und nachher ſamt ſeiner Arbeit von dem aus dem Fluſſe zurü>kehrenden Tiere mit Shmußwaſſer beſprißt wurde, oder die von dem Elefanten, der das Rad eines Geſchützes über den herabgefallenen Soldaten hob, damit dieſer niht zermalmt werde, und andere Geſchichten mehr ſind hübſ< erfunden, aber niht wirk: lih beobachtet. Der wild lebende Elefant bekundet ſiherlih mehr Einfalt als Klugheit, und der abgerichtete, der ſcheinbar aus eigener Einſicht handelt, thut in Wahrheit bloß, was ſein Führer ihm andeutet. „Sehen wix einmal zu“, ſchreibt Sanderſon, „ob der wilde Elefant mehr Verſtändnis als irgend ein anderes Tier zeigt. Obwohl ex in ſeinem Rüſſel ein Anhängſel beſizt, das ihn vortrefflih gegen eine plump angelegte, mit etlihen Stangen und Reiſig bede>te Fallgrube hüten könnte, ſtürzt er doh richtig hinein. Seine Genoſſen laufen ſ<re>erſüllt davon, obwohl es ihnen leicht fiele, ihm herauszuhelfen, wenn ſie die Erde vom Rande der Grube niederträten. Jſſt ein junger Elefant hineingefallen, dann bleibt zwar die Mutter in ſeiner Nähe, bis die Jäger kommen, aber es fällt ihr niht ein, ihrem Kalbe irgendwie zu helfen; niht einmal daran denkt ſie, Gezweige abzubrehen und ihm zuzuwerfen, damit es ſeinen Hunger ſtille. Freilich werden die Leute ſolche Dinge viel weniger gern glauben, als wenn ihnen erzählt würde, daß die Mutter dem Fungen in jeder Weiſe beiſtehe, ihm Gras vorwexrſe, um es zu füttern, Waſſer im Nüſſel herbeiſchaffe, um es zu tränken, oder daß ſie ſo lange Knüppel und Gezweige in die Grube pate, bis ihr Kind herausſteigen könne. Ferner werden ganze Herden von Elefanten in ganz mangelhaft verkleidete Einzäunungen getrieben, in welche kein anderes wildes Tier ſih ſ<heuc<en ließe, und einzelne werden gefangen, indem ein paar mit zahmen Elefanten herangeſchli<hene Männer ihnen die Beine zuſammenſchnüren. Entſprungene Elefanten werden in gleicher Weiſe faſt mühelos wieder eingefangen; ſelbſt Erfahrung bringt ihnen kein Verſtändnis. Solche Thatſachen ſind ſicherlich unvereinbar mit der Anſicht, daß Elefanten ungewöhnli<h kluge Tiere ſeien, viel weniger noc mit der, daß ſie ſharfſinniger Überlegung fähig wären. Jh glaube dem Elefanten niht Unrecht zu thun, wenn ih ihn ein in vielen Beziehungen dummes Tier nenne; auh kann i< zuverſichtlih behaupten, daß die mir bekannten Geſchichten über ſeine Thaten, falls ſie ſich niht auf Stückchen der Stärke oder der Gelehrigkeit beziehen, die er unter Anleitung ſeines Führers vollbrachte, nichts ſind als anſprechende Erfindungen, die beim Elefanten eine zu hohe geiſtige Begabung vorausſeten.

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