Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Prſhewalskis Pferd. Orientaliſches Vollblut. AT

Eine Schilderung oder auh nur Aufzählung der faſt zahlloſen Raſſen oder Stämme des Pferdes (Equus caballus), die wir nah Graf C. G. Wrangel in vollblütige,/ halbblütige und kaltblütige Schläge ordnen, gehört nict in den Rahmen unſeres Werfes. Die eine wie die andere würde, ſelbſt wenn ih die erforderlichen Kenntniſſe zur Unterſcheidung des wahren und falſchen, rihtigen und unrichtigen beſäße, über die mir geſtellte Aufgabe hinausgehen; außerdem ſind trefflihe umfangreiche Werke eigens über das Pferd geſchrieben. Hier mag es genügen, wenn ich die trefflichen Abbildungen, welche wir der Meiſterhand Camphauſens danken, mit einigen Worten begleite, mehr in der Abſicht, die Unterſchriften zu erläutern als Beſchreibungen zu liefern. '

DObenan unter allen Pferdeſtämmen ſteht no<h heutigestags der Araber. „Das Voll: blut“, ſchreibt Graf Wrangel, „hat keinen edleren Vertreter als das arabiſche Pferd reiner Raſſe, welches, auf der Grenze zwiſchen den natürlichen und den Kultuxrraſſen ſtehend, ſowohl von dem Naturforſcher als au< von dem Pferdekenner und — dem Dichter als das edelſte Tier der Schöpfung geprieſen wird. Es fragt ſih nur, was eigentlih unter der Benennung „arabiſches Pferd‘ zu verſtehen iſ. Soll damit der „Sohn der Luft“ bezeich: net werden, welcher nah der übereinſtimmenden Ausſage glaubwürdiger Verfaſſer nur in Nedſched anzutreffen iſt, oder gehören alle im nördlichen Afrika vorkommenden Pferdetypen zu der arabiſchen Raſſe? Meiner Anſicht nah dürſte weder eine ſo engbegrenzte noh eine ſo weitgehende Deutung das Richtige treffen.“ Das Alter der Raſſe ijt zunächſt keine8wegs ſo bedeutend, wie angenommen wird und wie die Araber gern glauben machen wollen. Sie halten darauf, und auh Abd el Kader beſtätigte es noh Blunt gegenüber, daß ihre vornehmſten Pferdefamilien von fünf Stuten des Königs Salomo abſtammen. Graf Wrangel aber, geſtüßt auf die Unterſuhungen A. Baranſkis, weiſt nach, daß zuerſt im 4. Fahrhunderte unſerer Zeitrehnung die flinken Pferde der Sarazenen von Ammianus Marcellinus erwähnt werden. „Jm 7. Jahrhundert, zur Zeit Mohammeds, wird jedoh das Pferd in Arabien allgemein gebraucht und von dieſem Zeitpunkte an iſt es Gegenſtand eines förmlichen Kultus der Wüſtenſöhne geweſen.“

Nach allgemein gültigen Anforderungen der Araber muß das edle Pferd in ſih vereinigen: ebenmäßigen Bau, kurze und bewegliche Ohren, ſ{<hwere, aber doch zierliche Kno: chen, ein fleiſhloſes Geſicht, Nüſtern, „ſo weit, wie der Rachen des Löwen“, ſchöne, dunkle, vorſpringende Augen, „an Ausdru> denen eines liebenden Weibes gleih“, einen gekrümmten und langen Hals, breite Bruſt und breites Kreuz, ſhmalen Rücken, runde Hinterſchenkel, ſehr lange wahre und ſehr kurze falſche Rippen, einen zuſammengeſhnürten Leib, lange Oberſchenkel, „wie die des Straußes es ſind“, mit Muskeln, „wie das Kamel ſie hat“, einen ſchwarzen, einfarbigen Huf, eine feine und ſpärlihe Mähne und einen reihbehaarten Schwanz, di> an der Wurzel und dünn gegen die Spive hin. Es muß zeigen viererlei breit: die Stirn, die Bruſt, die Hüften und die Glieder, viererlei lang: den Hals, die Oberglieder, den Bauch und die Weichen, und viererlei kurz: das Kreuz, die Dhren, den Strahl und den Schwanz. Dieſe Eigenſchaften beweiſen, daß das Pferd von guter Raſſe und ſchnell iſt; denn es ähnelt dann in ſeinem Baue „dem Windhunde, der Taube und dem Kamele zugleih“. Die Stute muß beſizen: „den Mut und die Kopfbreite des Wildſchweines, die Anmut, das Auge und das Maul der Gazelle, die Fröhlichkeit und Klugheit der Antilope, den gedrungenen Bau und die Schnelligkeit des Straußes und die Shwanzkürze der Viper.“

Ein Raſſepferd kennt man aber auh no< an anderen Zeichen. Es frißt bloß aus ſeinem Futterbeutel. Jhm gefallen die Bäume, das Grün der Schatten, das laufende Waſſer und zwar in ſo hohem Grade, daß es beim Anbli>ke dieſer Gegenſtände wiehert. Es trinkt niht, bevor es das Waſſer erregt hat, ſei es mit dem Fuße oder ſei es mit dem Maule. Seine Lippen ſind ſtets geſchloſſen, die Augen und Ohren immer in Bewegung.