Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

48 Zehnte Ordnung: Unpaarzeher; erſte Familie: Pferde,

Seinen Hals wirft es zur Rechten und zur Linken, als wollte es ſprechen oder um etwas bitten. Ferner behauptet man, daß es nun und nimmermehr ſi paare mit einem ſeiner Verwandten. Nach unſeren Begriffen iſ übrigens der Araber ein re<t fleines Pferd denn er erreiht faum 1,5 m Höhe und mißt ſehr ſelten darüber. Auch die eten Nedſchedpferde haben, nah W. G. Palgrave und von Vincenti, dur<ſchnittlih nur dieſe Größe, au hat Palgrave kein einziges geſehen, das 1,6 m Höhe erreicht hätte; G. de Vaulgrenant bezeichnet die Nedſchedis ſogar als ſehr klein und gibt ihr Maß bloß zu 1,32=—1 43 m an. Daß Tiere von ſo geringer Körpergröße ſi< mit unſeren ſtattlichen europäiſchen Vollblutpferden wohl an Ausdauer, nict aber an Geſchwindigkeit auf der Rennbahn meſſen können, erſcheint ſelbſtverſtändlich.

Zn den Augen der Araber iſt das Pferd das edelſte aller geſchaffenen Tiere, genießt daher faſt dieſelbe Achtung wie ein vornehmer, größere als ein geringer Mann. Bei einem Volke, welches einen weiten Raum unſeres Erdballes ſpärlich bevölkert welches ungleich weniger an der Scholle klebt als wir Abendländer / deſſen Hauptbeſchäftigung die Viehzucht iſt, muß das Roß notwendigerweiſe zur höchſten Würdigung gelangen. Das Pferd iſt dem Araber notwendig zu ſeinem Leben, zu ſeinem Beſtehen; er vollbringt mit ſeiner Hilfe Wanderungen und Reiſen, hütet auf ihm ſeine Herden, glänzt dur das Pferd in ſeinen Kämpfen, bei den Feſten, bei den geſelligen Vereinigungen; er lebt, liebt und ſtirbt auf ſeinem Roſſe. Mit der Natur des Arabers, zumal des Beduinen, iſt die Liebe zum Pferde unzertrennlich; er ſaugt die Achtung für dieſes Tier ſchon mit der Muttermilch ein. Das edle Geſchöpf iſt der treueſte Gefährte des Kriegers, der geactetſte Diener des Gewaltherrſchers, der Liebling der Familie, und eben deshalb beobachtet es der Araber mit ängſtlichem Fleiße, erlernt ſeine Sitten, ſeine Notwendigkeiten, beſingt es in ſeinen Gedichten, erhebt es in ſeinen Liedern, findet in ihm den Stoff ſeiner angenehmſten Unterhaltung. „Als der Erſchaffende das Roß erſchaffen wollte“, verkündigen die Schriftgelehrten, „Jagte er zum Winde: „Von dir werde ih ein Weſen gebären laſſen, beſtimmt, meine Verehrer zu tragen. Dieſes Weſen ſoll geliebt und geachtet ſein von meinen Sklaven. Es ſoll gefürchtet werden von allen, welche meinen Geboten niht nacſtreben.“ Und er {uf das Pferd, und rief ihm zu: „Dih habe ih gemaht ohnegleihen. Alle Schäße der Erde liegen zwiſchen deinen Augen. Du wirſt meine Feinde werfen unter deine Hufe, meine Freunde aber tragen auf deinem Rüten. Dieſer ſoll der Sib ſein, von welchem Gebete zu mir emporſteigen. Auf der ganzen Erde ſollſt du glü>li< ſein und vorgezogen werden allen übrigen Geſchöpfen; denn dir ſoll die Liebe werden des Herrn der Erde. Du ſollſt fliegen ohne Flügel und ſiegen ohne Schwert!“ Aus dieſer Meinung entſpringt der Aberglaube, daß das edle Pferd nur in den Händen der Araber glüÆli< ſein könne; hierauf ſoll ſi<h vormals die jet freilich niht mehr allgemein verbreitete Weigerung begründet haben, Roſſe an Andersgläubige abzulaſſen. Abd el Kader beſtrafte, als er no< auf der Höhe ſeiner Macht ſtand, alle Gläubigen mit dem Tode, von denen ihm geſagt worden war, daß ſie eines ihrer Pferde an Chriſten verkauft hätten.

Alle Araber glauben, daß die edlen Pferde ſchon ſeit Jahrtauſenden ſi< in gleicher Vollkommenheit erhalten haben, wachen daher ängſtlich über der Zucht ihrer Roſſe. Hengſte von guter Naſſe werden ſehr geſucht: die Stutenbeſißer durchreiten weite Stre>en, um ſolche Hengſte zum Beſchälen zu erhalten. Als Gegengeſchenk erhält der Hengſtbeſißer eine gewiſſe Menge Gerſte, ein Schaf, einen Schlauch voll Milch. Geld anzunehmen, gilt als \{machvoll; wer es thun wollte, würde ſich dem Schimpfe ausſeßen, „Verkäufer der Liebe des Pferdes“ genannt zu werden. Nux wenn man einem vornehmen Araber zumutet, ſeinen edlen Hengſt zum Beſchälen einer gemeinen Stute zu leihen, hat er das Necht, die Bitte abzuſchlagen. Während der Trächtigkeit wird das Pferd ſehr ſorgfältig behandelt, jedoch nur in den legten Wochen geſchont. Während des Wurfes müſſen Zeugen zugegen ſein,