Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Alvenflüevogel. Sperbergrasmüde. 97

Plätzen, aus Erdmoos und Grashalmen erbaut und innen mit dem feinſten Mooſe oder mit Wolle, Pferde- und Kuhhaaren zierlih ausgelegt. Die 4—6 länglichen, glattſchaligen, blaugrünen Eier unterſcheiden ſi< von denen der He>enbraunelle nur durch die Größe: ihr Längsdurhmeſſer beträgt 34, ihr Querdurchmeſſer 17 mm. .

Gefangene Alpenflüevögel gewöhnen ſich leicht ein, werden außerordentlih zahm, dauern bei geeigneter Pflege einige Fahre im Käfige aus und erfreuen dur ihren angenehmen, ſanften Geſang und die Unermüdlichkeit, mit welcher ſie ihr einfaches Lied vortragen.

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Unter allen Gattungen der Unterfamilie ſind die eigentlihen Grasmüden (Sylvia) die bekannteſten. Fhre Merkmale liegen in dem ſchlanken Baue, dem kegelpfriemenförmigen, an der Wurzel noh ziemlih ſtarken, auf dem Firſte ſanft gebogenen, an deë Spiße übergekrümmten, vor ihr mit kleinem Ausſchnitte verſehenen Schnabel, den ſtarken, ziemlich kurzen Füßen, den mittellangen, leiht zugerundeten Flügeln, unter deren Schwingen die dritte und vierte die anderen überragen, dem kurzen oder mittellangen, ſtets aus 12 Federn gebil: deten Shwanz ſowie endlich dem reichen, ſeidigweichen, in der Regel nicht beſonders lebhaft gefärbtem Federktleide. |

Die Grasmüen, etwa 23 Arten umfaſſend, bewohnen die Oſthälſte der Erde, in größter Anzahl den nördlichen altweltlihen Gürtel, nehmen in Laub- und Nadelwäldern, Gebüſchen und Gärten ihren Stand, halten ſi< in der Höhe wie in der Tiefe auf, vereinigen faſt alle Begabungen ihrer Familiengenoſſen in ſich, ſingen vorzüglich, freſſen Kerbtiere, Spinnen, Früchte und Beeren und bauen niedrig im Gebüſche kunſtloſe Neſter.

Die größte aller in Deutſchland lebenden Arten der Gattung iſt die Sperbergrasmüde, auh Spanier genannt (Sylvia nisoria, Curruca und Philacantha nisoria, A d0phoneus nisorius, undatus und undmatus, Nisoria undata und undulata, Abbildung S. 98). JZhre Länge beträgt 18, ihre Breite 29, ihre Fittichlänge 9, ihre Shwanzlänge 8 em. Die Oberſeite des Gefieders iſt olivenbraungrau, der Oberkopf etwas dunkler, der Bürzel und das Oberſ<hwanzdegefieder mit ſhmalen weißen, innen ſhwärzli<h gerandeten Endſäumen, das der Stirn und Augenbrauen mit äußerſt ſ{hmalen, weißlichen Spizen geziert, das des Zügels grau, der Unterſeite weiß, an den Kopf- und übrigen Körperſeiten, an Kinn und Kehle mit ſhmalen dunkeln Endſäumen, auf den Unterflügeln und Unterſhwanzdeden mit dunkeln Keilfle>en gezeichnet; Schwingen und Schwanzfedern ſind dunkelbraun, außen ſchmal fahlweiß, innen breiter weißlih gerandet, die Enden der Armſchwingen und deren Dekfedern ſowie der größten oberen Flügelde>federn weißlih geſäumt, die äußerſten drei Schwanzfedern innen am Ende breit weiß gefärbt. Die Jris iſt zitrongelb, der Schnabel hornbraun, unterſeits horngelb, der Fuß lihtgelb. Das Weibchen unterſcheidet ſih durch mattere Färbung.

Vom ſüdlichen Schweden an bewohnt oder beſucht die Sperbergrasmüce Mittel- und Südeuropa, mit Ausſ{<luß Großbritanniens, ebenſo das weſtliche Aſien und Nordchina und wandert im Winter bis ins Jnnere Afrikas. Jn einzelnen Teilen unſeres Vaterlandes, namentli< in den Auen und an buſchigen Ufern größerer Flüſſe, iſt ſie häufig, an anderen Orten fehlt ſie gänzlich oder gehört wenigſtens zu den größten Seltenheiten. Bei uns zu Lande erſcheint ſie nie vor dem leßten Tage des April, meiſt erſt Anfang Mai und verweilt höchſtens bis zum Auguſt in der Heimat. Zu ihrem Sommeraufenthalte wählt ſie niederes Gebüſch, dabei mit Vorliebe Dickichte, verläßt dieſe aber, wenn ſie zum Stangenholze herangewachſen ſind, um ſich anderen, aus jungem Nachwuchſe gebildeten zuzuwenden. Höhere Bäume beſucht ſie bloß während ihres Zuges.

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. IV. 7