Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

100 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

auh in Gebirgslagen von 2000 m Höhe no< Brutvogel. Deutſchland und England joll er wiederholt beſucht haben. Seine Winterreiſe dehnt er bis Mittelafrika und Jndien aus; ih erlegte ihn in den Wäldern des Blauen Fluſſes;=Jerdon beobachtete ihn als häufigen Wintergaſt in ganz Südindien.

Abweichend von anderen Grasmücken bevorzugt der Meiſterſänger höhere Bäume: in dem eigentlichen Niederwalde iſ er von mir niemals beoba<htet worden. Die Ebenen beherbergen ihn weit häufiger als die Gebirge; denn das bebaute üppige Land, welches regelmäßig bewäſſert wird, ſcheint ihm alle Erforderniſſe zum Leben zu bieten. Sehr gern beſiedelt er auh Kiefernwälder. An derartigen Örtlichkeiten vernimmt man überall ſeinen Geſang, und hier ſieht man, wenn man den Klängen vorſichtig nahgeht, das Paar in den höheren Baumkronen ſein Weſen treiben. Auch er iſt mißtrauiſch und vorſichtig, läßt ſi ungern beobachten, ſucht beim Herannahen des Jägers immer die dichteſten Zweige der Bäume auf und weiß ſih hier ſo vortrefflih zu verſte>en, daß er auf lange Zeit vollkommen unſichtbar iſt.

Der Meiſterſänger verdient ſeinen Namen. Man hat den Wert ſeines Liedes beeinträchtigen wollen; ſo viel aber iſt zweifellos, daß er ſelbſt in ſeiner Familie einen hohen Rang einnimmt. Das Lied erinnert einigermaßen an den Schlag unſerer Amſel, iſt jedoch niht ſo laut und wird au< niht ganz ſo getragen geſungen. A. von Homeyer, welcher einen Meiſterſänger längere Zeit im Käfige hielt, ſagt, daß er vorzüglicher ſänge als irgend eine Grasmücke. „Der Geſang iſt höchſt eigentümlih. Man wird ihn freilih nur für einen Grasmüdengeſang halten können, dur< den ruhigen Vortrag melodiſch zuſammengefügter Strophen aber doh auh an einen Spöttergeſang erinnert werden, indem er troß ſeiner nur den Grasmüen eignen Rundung zeitweiſe das abgeſeßte und ſhnalzende des Gartenſängers hat. Beſonders in der Fülle des Tones ſowie im allgemeinen in der Art des Vortrages gleicht dieſer Geſang am meiſten dem der Gartengrasmüd>e, iſt aber lauter, mannigfaltiger und großartiger. Bald iſt der Ton gurgelnd, bald ſ<magend, bald ſhä>ernd bald ſrei heraus von einer ſolhen Kraft und Fülle, daß er wahrhaft überraſht, während gerade die Gartengra3mü>e immer einen und denſelben Vortrag behält und aus ihren ruhigen Gurgel- und ſ{<narrenden Tönen niht herauskommt. Dabei werden die Töne und Strophen des Liedes ſo deutlich gegeben, daß man ſie während des Singens na<hſchreiben kann, ohne ſi<h übereilen zu müſſen. Der Warnungslaut klingt ſ{hnalzend wie „jett ſcherr“ und „tru rarara‘, der Angſtruf, welcher ſhnell hintereinander wiederholt wird, wie „wie> wie> “ Einzelne Meiſterſänger nehmen au<h Töne aus vieler anderer Vögel Liedern auf.

Die Nahrung beſteht in entſprechendem Kleingetiere, Früchten und Beeren ſeiner Heimat.

Die Brutzeit beginnt Mitte Mai und währt bis Mitte Juli; dann tritt die Mauſer ein. Während der Paarungszeit ſind die Männchen im höchſten Grade ſtreitluſtig, und wenn ihre Eiferſucht rege wird, verfolgen ſie ſich wütend. Das Neſt ſteht hoh oben in der Krone der Bäume, iſt gewöhnlich nicht verſte>t, ſondern, leicht ſichtbar, zwiſchen die Aſtſpibßen geſeßt. Fn der Bauart unterſcheidet es ſih nur dadurch von anderen Grasmüenneſtern, daß es di>wandiger und nicht ſo loſe gebaut iſt. Fnwendig ſind manche Neſter mit Rindenſtreifen von Weinreben ausgelegt; Thienemann erwähnt eines, welches ſogar mit Fiſchſhuppen ausgekleidet war. Das Gelege beſteht aus 5 feinſchaligen, feinporigen und glänzenden Eiern, welche auf weißem oder grünlihweißem Grunde violettgraue Unter- und gelbbraune Oberfle>en zeigen. Lettere können auh gänzlih fehlen. Das Weibchen ſcheint, nah Krüper, das Brutgeſchäft allein zu übernehmen; das Männchen ſißt währenddem nicht in der Nähe, ſondern in bedeutender Entfernung vom Neſte und ſingt hier ſeine Lieblingslieder. Die Jungen werden noch einige Zeit nah dem Ausfliegen geführt und zwar von beiden Eltern; ſobald aber die Mauſer eintritt, löſen ſi die Familien auf.