Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

112 Erſte Ordnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

Eine der bekannteſten Arten der Gruppe, welche wir als Untergattung (Melizophilus) auffaſſen mögen, iſt das Samtfköpfchen (Sylvia melanocephala, ruscicola, ochrogenion und baumani, Melizophilus melanocephalus und nigricapillus, Motacilla melanocephala und leucogastra, Curruca melanocephala, momus und luctuosa, Pyrophthalma melanocephala, Dumeticola melanocephala). Die Länge beträgt 14, die Breite 18, die Fittihlänge 5,5, die Schwanzlänge 6 cm. Das Gefieder der Oberſeite iſt grau[hwarz, das der Unterſeite weiß, rötlich angeflogen, das des Kopfes ſamtſ<hwarz, der Kehle reinweiß; Flügel und Shwanzſedern ſind ſhwarz, die drei äußerſten Steuerfedern jederſeits und die Außenfahnen der erſten weiß. Das Auge iſt braungelb, das nate, ſtarf aufgetrie= bene Augenlid ziegelrot, der Schnabel blau-, der Fuß rötlichgrau.

Von Südfrankreih und Süditalien an iſt das Samtköpfchen über ganz Südeuropa, Nordafrika und Weſtaſien verbreitet und auch auf den kleinſten Fnſeln noh zu finden, vorausgeſeßt, daß es hier wenigſtens einige dihte He>en gibt. Jm Niederwalde und in allen Gärten Griechenlands, Ftaliens und Spaniens iſ es gemein. Es wandert niht, ſondern bleibt, wie alle ſeine Verwandten, jahraus jahrein in der Heimat. Jh habe es über ein Jahr lang faſt tagtäglih beobachtet, ziehe es aber doh vor, Hansmann für mit reden zu laſſen, weil ih es für unmöglich halte, eine ſo ausgezeihnete Schilderung zu erreichen. Nur in einer Hinſicht kann ih Hansmann nicht beiſtimmen. Er ſagt ſehr richtig, daß das Samtköpfchen ſeinen Aufenthalt mit dem Brillen- und man<hmal auh mit dem Sardenſänger gemein habe, ſi indeſſen an Orten finde, wo dieſe beiden niemals hinkommen, bezweifelt aber die Angabe des Grafen von der Mühle, daß es beſonders die He>en der Stachelfeigen liebe und darin auch ſein Neſt auſſtelle. Jh muß von der Mühle beipflichten: Das Samtköpfchen ſcheint ſih mit exſichtlihem Behagen gerade in dieſen Kaktushe>en anzuſiedeln und ſie namentli<h au< zur Winterherberge zu wählen.

„Nähert man ſih dem Orte, wo das Neſt oder die Jungen eines Samtköpfchens verſte>t ſind, ſo hört man ſeinen hellen Warnungsruf „trret trret trret“, welcher mitunter im höchſten Zorne oder in der höchſten Angſt ſo ſchnell hintereinander wiederholt wird, daß er als ein zuſammenhängendes Schnarren erſcheint. Dabei ſpreizt der Vogel ſeine dunkelſchwarzen Kopffedern, welche um ein geringes bis in den Nacken hinein verlängert ſind, in die Höhe, und der na>te Augenring flammt feuerrot. Der Lokton iſt ein weniger ſcharfes ,Tre> tre> tre>‘ und mit ihm beginnt gewöhnlih auh der Geſang, ein ſehr mannigfaltiges, ziemlich langes, aus ſ{hnarrenden und pfeifenden Tönen zuſammengeſeßtes Lied, welhes gegen das Ende hin manche ganz artig klingende Strophen hat. Dieſen Geſang läßt es auh ôfter, von einem Orte zum anderen fliegend oder, wie die Brillengrasmüe, aufſteigend und wieder auf einen Zweig zurückfallend, vernehmen.“ Jh will hinzufügen, daß das ſingende Männchen faſt immer oder wenigſtens ſehr gern hochſißt, während des Singens den Schwanz ſtelzt, die Halsfedern ſträubt und zierliche Verbeugungen maht. „Das Weibchen iſt ein niht halb ſo munterer und ſo ke>er Vogel wie das Männchen, und man bekommt erſteres nur ſelten zu ſehen. Auch um die Jungen iſt es wohl ebenſo beſorgt als der andere Gatte; indeſſen geſchieht deren Verteidigung lange nicht mit der lärmenden Tapferkeit, welche man an dieſem erbli>t. Das Männchen iſt denn auh Hans in allen Gaſſen, welcher ſih um alles bekümmert, überall mitredet und überall teilnimmt. Läßt ſich ein Raubvogel von ferne erbli>en, ſoglei<h macht es Lärm, auf einen freien Zweig hinaustretend; klagt ein anderer Vogel ängſtlich um ſeine Brut, ſogleich iſt es bei ihm und hilft kräftig den Feind mit vertreiben. Daß ihm dabei vom Jäger manches Unangenehme geſchieht, ſcheint für die anderen durhaus keine Warnung zu ſein.

„Die Neſter des Samtköpfchens, welche ih gefunden, ſtanden entweder in niedrigen, dichten Crataegus- oder Lyciumbüſchen oder ganz frei zwiſchen den Zweigen eines