Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

122 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

zeitigen die Eier innerhalb 13—14 Tagen und füttern gemeinſchaftlih auch die Jungen auf. Lettere verlaſſen erſt, wenn ſie vollkommen befiedert ſind, das Neſt, treiben es nunmehr vom erſten Tage an ganz wie die Alten, beginnen Ende Juli oder im Auguſt mit dieſen umherzuſtreihen und treten hierauf ihre Winterreiſe an.

Dem Teichrohrſänger täuſchend ähnlich, in der Lebensweiſe jedo<h durchaus verſchieden, iſt der Sumpfrohrſänger, Sumpf- oder Sumpfſchilfſänger (Acrocephalus palustris, Sylvia palustris, nigrifrons und fruticola, Calamoherpe palustris, pratensis und fruticola, Curruca fusca, Calamodyta und Salicaria palustris). Er iſt unbedeutend größer als der vorſtehend beſchriebene Verwandte und läßt ſich mit Sicherheit namentli< an den längeren Flügeln erkennen. Seine Länge beträgt ebenfalls 14, die Breite aber mindeſtens 21, die Fittichlänge 6,7, die Shwanzlänge 6 cm. Hinſichtlich der Färbung beſteht der einzige Unterſchied zwiſchen ihm und jenem darin, daß die Oberſeite olivengrüngrau, niht aber roſtbräunlih überhaut und der Bürzel ſtets der übrigen Oberſeite gleich gefärbt iſt. Auch der etwas kürzere und kräftigere, an der Shneide ſ{hwach eingezogene Schnabel und die um 4 mm kürzere Fußwurzel unterſcheiden ihn von jenem.

Das Verbreitungsgebiet des Sumpfſchilfſängers reicht niht ſo weit na< Norden hinauf, ſein Wandergebiet niht ſo weit nah Süden hinab wie das des Verwandten; auch er beginnt aber in Gebieten aufzutauchen, wo er vordem niht bemerkt worden iſt. Seitdem 3. V. Liebe vor mehr denn einem Vierteljahrhundert bei Gera das erſte Pärchen entde>te, haben ſi dieſe lieblihen Sänger in jener Gegend von Jahr zu Jahr vermehrt und ſind auch in der Mitte der achtziger Fahre in den Auengeländen um Leipzig eingetroffen.

Jm Nordoſten Rußlands und von hier an in verſchiedenen Ländern Aſiens bis Jndien, Nepal und Aſſam vertritt ihn der Podenarohrſänger, Podena der Jnder (À erocephalus dumetorum und montanus, Sylvia montana, Salicaria arundinacea), welcher ſih durch düſtere, olivenfahlbraune Färbung der Oberſeite, etwas längeren Schnabel und anderen Bau des Flügels von ihm unterſcheidet. Auch der in Oſteuropa und Sibirien bis Nordchina lebende, einmal auf Helgoland erlegte Zwergrohrſänger (À crocephalus s alicarius, Motacilla salicaria, Sylvia caligata und scita, Lusciola caligata, Calamoherpe secita) dürfte als ihm naheſtehender Verwandter angeſehen werden können. Die Länge dieſes no< wenig bekannten Vogels, eines ausgezeihneten Sängers, beträgt 12,4, die Fittichlänge 6,5, die Shwanzlänge 5,3 ecm. Das Gefieder iſt oberſeits gelblich roſtgrau, auf dem Scheitel etwas dunkler, auf dem Bürzel etwas heller, unterſeits ebenſo wie ein deutlicher heller Strich über den Augen roſtgelblihweiß, an Kinn und Kehle weißlich, an den Halsſeiten braun, an den Leibesſeiten roſtgelblih; die Shwingen ſind graubraun, außen roſtgelblih geſäumt, die Shwanzfedern roſtigbraun, am Ende ſ{hmal hell roſtbraun gerandet.

Als ſelbſtändige Art gibt ſich der Sumpfrohrſänger nicht allein durch die hervorgehobenen Merkmale, ſondern auh dur ſeinen Aufenthaltsort und wundervollen Geſang zu erkennen. Abweichend von den bisher genannten Arten der Unterfamilie, bezieht er ſofort nah ſeiner Ankunft, welche frühſtens im Anfange des Mai ſtattfindet, niedriges, ſumpfiges Gebüſch an Fluß- und Bachufern, Waſſergräben, Seen und Teichen, in deſſen Nähe Schilf und andere Waſſerpflanzen oder Brenneſſeln wachſen oder Viehweiden, Wieſen und Getreideſelder ſi< ausdehnen. Jn ſolchen Gebüſchen verbringt er die 4 Monate ſeines Sommevraufenthaltes ohne ſi< um das Röhricht viel zu kümmern. Seine Wohnpflanze iſt die Weide, vorausgeſeßt, daß ſie als Schnittweide gehalten und mit allerlei kletternden und rankenden oder hoh aufſchießenden Pflanzen und Kräutern durhwachſen wird. Von hier aus begibt er ſih oft auf die Bäume und in die benachbarten Felder, namentli< in ſolche,