Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Sumpfrohrſänger. Podenarohrſänger. Zwergrohrſänger. 1283

welche mit Hanf und Raps beſtanden ſind, äußerſt ſelten dagegen in das Rohr oder Schilf, und wenn dies der Fall, bloß in ſolhes, welches ſein Gebüſch begrenzt. Äußerſt geſellig, wie die meiſten Rohrſänger überhaupt, wohnt auch er gern in unmittelbarer Nähe anderer ſeiner Art, ſo daß man, laut Altum, auf einer Fläche von 400 Shritt Durchmeſſer 7—®8 Neſter finden kann.

Naumann bezeihhnet ihn als einen ſehr netten, luſtigen, unſteten Vogel, hurtig in allen Bewegungen, im Hüpfen und Dur<ſchlüpfen der Gebüſche und des dichteſten Geſtrüppes wie im Fluge, gleicherweiſe kühn und mutig im Streite mit ſeinesgleichen, und bemerkt übereinſtimmend mit anderen Beobachtern, daß ſeine Sitten und Gewohnheiten eine Miſchung derer des Gartenſängers und der übrigen Rohrſänger ſeien. „Fm Klettern und Anklammern“, ſagt er, „iſt er ebenſo geſchi>t wie die leßteren, im Fluge aber noh gewandter. Oft ſtürzt er ſi, dur die Luft fortſchießend, aus den Zweigen eines ziemli< hohen Baumes [chief herab ins niedrige Geſträuch; ein anderes Mal ſhwingt er ſich ebenſo aus der Tiefe zur Höhe auf oder fliegt gerade fort und ungezwungen eine gute Stre>e über das Freie von Vaum zu Baum oder von einem Gebüſche zum anderen und nicht etwa ängſtlih am Boden hin, ſondern meiſt ke> in ungemeſſener Höhe durch die Luft.“ Er iſt ununterbrochen in Bewegung, hüpft beſtändig hin und her, klettert niht ſelten zur höchſten Spiße des Gebüſches empor, verkrieht ſih aber ebenſo in den dihteſten Zweigen. Dem Menſchen gegenüber zeigt er ſih vorſichtig, verſtummt bei deſſen Ankunft, au< wenn er eben aus voller Kehle ſingt, ſhweigt lange Zeit und ſtiehlt ſih währenddem kriechend ſo geſchi>t fort, daß man ihn oft trog aller Mühe nicht zu ſehen bekommt.

Sein Lied ähnelt am meiſten dem des Gartenſängers, iſt aber durchaus lieblich Und zart, obſchon flangvoll und kräftig. Troß dieſer Eigenſchaſten erkennt man jedoh, laut Altum, ſofort den Rohrſänger: das „Terr zerr zirr tiri tirr“ wird bald ſo, bald anders eingewoben. Der Hauptſache nach beſteht der Geſang aus einer Mengung von einem Duytend und mehr Vogelgeſängen und Stimmen. „Kraus und bunt durcheinander folgen die Bruhſtüce der Geſänge und die Rufe von Singdroſſel, Gartengrasmücke, Rauhſchwalbe, Wachtel, Schaf- und Bachſtelze, Kohlmeiſe, Haus- und Feldſperling, Bu<hfink und Stieglis, Feldlerche, Plattmönch, Kleiber; ja ſogar das Gequake des Waſſerfroſhes darf zuweilen nicht fehlen. Aber alle dieſe Stimmen reiht er niht ſ{hle<thin und ſteif aneinander, ſondern mat ſie ganz zu ſeinem Eigentume. Sie kommen wie aus einem Guſſe hervor; ſeine Silberkehle veredelt ſie alle. Ex ſingt eben nur ſein Lied, geläufig, ohne ſih zu beſinnen, ohne Pauſe, in voller, anderweitiger Beſchäftigung, im Klettern, Durhſchlüpfen, Kerbtierfangen, im Verfolgen eines Nebenbuhlers. Einen größeren Singmeiſter kenne ih unter unſeren einheimiſchen Singvögeln niht. Freilih behèrrſht und erhebt ſein Lied nicht, wie das der Feldlere, die ganze Umgegend; freilich bleiben Sproſſer und Nachtigall unerreichbare Künſtler: aber die Meiſterſchaft in der Nachahmung, verbunden zugleih mit entſprechender Tonfarbe, mit lieblicher, flangvoller Stärke, erreicht kein anderer. An mondſcheinloſen Abenden beginnt ex, ſobald die Tagesſänger verſtummen; darauf tritt etwa von 10—11 Uhr eine Pauſe ein, und nun bleibt ex Nachtſänger. Jedoch folgen ſeine Strophen weniger raſch, ſind weniger lang und werden weniger feurig vorgetragen als am Morgen. Am Tage verſtummt er nur um die Mittagszeit.“ Einer der beſten Sänger, dem Liebe oft bei Gera gelauſcht hat, verflo<ht in ſeinen Geſang die Rufe und Strophen von niht weniger als 19 anderen Vögeln.

Das Neſt ſteht innerhalb des von ihm gewählten Wohnplates, jedo<h nicht immer im dichteſten Geſtrüppe, ſondern meiſt am Rande der Pflanzungen, oft in einzelnen dicht am Fußwege ſtehenden kleinen Büſchen, niemals über Waſſer, aber ebenfalls niedrig über dem Boden. Jn ſeiner Bauart ähnelt es denen anderer Rohrſänger, wird auch in ähnlicher