Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

122 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

Wahrſcheinlich kommt der Schlagſchwirl in Deutſchland öfter vor, als man bis jeßt annimmt; denn er mag ſehr oft mit ſeinen Verwandten verwechſelt werden. Mit Sicherheit iſt er an der Elbe, Oder und dem Memel ſowie von Liebe an der Göltſch, einem Nebenfluſſe der Elſter, beobachtet worden. Häufiger tritt er an der mittleren und unteren Donau, in Galizien, Polen und ganz Rußland auf. Wir verdanken die eingehendſten Berichte über ſein Freileben Graf Wodzicki und Schauer, welche ihn in Galizien beobachtet haben. Hier bewohnt ex zwar ebenfalls niedrige Lagen, mit Weidengebüſch beſtandene Waldwieſen ausgedehnter Föhrenwaldungen, von Wieſen und Viehweiden umgebene Erlenbrüche oder ähnliche Örtlichkeiten, am häufigſten aber doh die Buchenholzſchläge des Mittelgebirges, in denen über ſtarken Wurzelſtö>ken und alten, faulenden Stämmen der üppigſte, aus hohen Gräſern, Halbgräſern, Doldengewächſen, Brombeer- und Himbeerſträuchern beſtehende Unterwu<hs wuchert. Fn ſeinem Brutgebiete erſcheint er erſt um Mitte Mai, wenn der Pflanzenwu<s ſchon ſo weit vorgerückt iſt daß er ſih verſte>en kann, nimmt auh nict ſogleich na< ſeiner Ankunft ſeine Brutſtätte ein, ſondern {weiſt erſt an Orten umher wo man ihn niht vermuten oder ſu<hen möchte: in kleinen Gärthen mit Stachelbeerbüſchen, ſogar in tro>enen, aus Ruten geflo<tenen Zäunen. Aber auh an ſolchen ſo wenig de>enden Orten weiß er ſih auf das geſchi>teſte zu verbergen; denn ſein ganzes Weſen iſt verſte>t und geheimnisvoll. Selbſt am Brutplate, vielleicht einer Wieſe, auf welher unzuſammenhängende Weidenbüſche ſtehen, gewahrt man das Männchen bloß, wenn es ſih ganz ſicher glaubt, und au< dann vorausſihtli< nux auf beſtimmten Zweigen, ſeinen Singplägßen, zu denen es regelmäßig zurü>kehrt; im übrigen hält es ſi ſtets verſte>t, fliegt ſo ſelten wie mögli und bloß über kurze Stre>en, unter gleichartigem, hnurrendem Flügelſchlage, einer großen Sphinx vergleichbar, hält dabei ſtets eine ſ{<nurgerade Linie ein, hat nur ſein Ziel vor Augen und läßt ſich dur< nichts beirren. Beunruhigt, ſucht es ſi< nur dur Flucht zu retten; nähert man ſih ihm, wenn es, wie gewöhnlich, auf einem hervorragenden tro>enen Zweige des Weidenbaumes ſißt ſo ſtürzt es wie totgeſchoſſen, ohne einen Flügel zu rühren, fallxecht herab, verkriecht ſi< im Graſe, weiß binnen wenigen Augenbli>en die dihteſten und verworrenſten Stellen zu gewinnen und läßt ſi durch kein Mittel, niht einmal dur einen Hund, zum Auffliegen zwingen. Einzig und allein im Eifer des Geſanges vergißt es zuweilen die ihm eigene Vorſicht und geſtattet unter Umſtänden, daß ein verſte>ter Beobachter es und ſein Treiben belauſcht.

Beim Singen gebärdet es ſih ganz wie ſeine Verwandten, erklettert einen uberragenden Zweig oder hebt den Kopf in die Höhe, ſo daß der Schnabel faſt ſenkreht emporgerictet wird, öffnet ihn ſehr weit, ſträubt gleichzeitig die Kehlfedern und ſhwirrt nun unter eigentümlichen Zungenbewegungen ſeinen Triller ab. Dieſer beſteht aus zwei nebeneinander liegenden gezogenen Tönen, von denen der eine tiefer und ſtärker, der andere höher und ſ{wäher iſt, und wird, nah Schauers Meinung, ebenſowohl beim Einatmen wie beim Ausſtoßen von Luft hervorgebracht. Verglichen mit dem Triller des Feldſchwirles iſt er ſtark und kräftig, weniger ziſchelnd, ſondern mehr weßend, der vielleicht 50—60mal aneinander gereihten Silbe „err“ etwa ähnlich, ſtets merklich kürzer, auh im Gange langſamer und dem Schwirren der grünen Heuſchre>en ähnlicher. Er wird von Zeit zu Zeit dur den abgeriſſenen, ſhnarrenden Lockton unterbrochen und erinnert in gewiſſer Beziehung an den Anfang des Goldammergeſanges. Während des Singens wendet der S<hlagſchwirl den Kopf mehr oder we‘niger bald nah re<ts, bald nah links und bewirkt dadurh, daß das Schwirren bald etwas ſtärker, bald etwas ſ{hwächer erklingt. Niemals ſ{hwirrt er, wenn ex ſih von einem Orte zum anderen bewegt; will ex ſeinen Plaß wechſeln oder auh nur einen Sprung ausführen, ſo unterbricht ex ſih. Fühlt ex ſi< ſicher, und iſt gutes Wetter, ſo ſißt er ſtets auf einem hervorragenden tro>enen Zweige eines Buſches, ſeltener auf den unteren oder