Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

134 Erſte Ordnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

Nordafrika; immer und überall aber beſchränkt ſi< ſein Vorkommen auf einzelne Gegenden, und außerdem tritt er, in Galizien wenigſtens, in manchen Fahren äußerſt ſelten, in anderen dagegen ungemein häufig am Brutorte auf. Er iſt, laut Wodzicki, ein wahrer Rohrvogel, welcher das Röhricht nie verläßt, nah Art feines Geſchlechtes aber ſi<h immer bewegt und bald auf dem Boden, bald im Rohre dahinläuft. Niemals wird man ihn ruhig ſigen ſehen. Jm Frühjahre beluſtigt er ſi<h ſogar dur Balzflüge, indem er flatternd in die Luft aufſteigt und ſi<h na< Art der Grasmücen und Pieper, jedo< ohne zu ſingen, mit zurü>gelegten Flügeln wieder ins Röhricht wirft. Viel zutrauliher und neugieriger als der Schlagſchwirl, pflegt er, ſobald er ein Geräuſch hört, vom Boden aufzufliegen und ſih aufs Rohr zu ſegen, um den Hund oder den Jäger erſtaunt anzuſehen. Bezeichnend für ihn iſt ſeine außerordentliche Kampfluſt: während der Brutzeit verfolgen ſih die Gatten oder Nebenbuhler bis zu den Füßen des Beobachters, gleichviel ob auf ſie geſhoſſen wurde oder niht; denn ſie ſhwirren ſelbſt bei Gefahr. Jhr Geſang iſt no< ſ{<werer zu beſchreiben als der ihrer Verwandten, um ſo mehr, als man ihn im bewegten Rohre nur undeutlich vernehmen fann und unſer Vogel unter den drei Schwirlen zwar die angenehmſte, aber auc die ſ<hwächſte Stimme hat, ſo daß man, etwas entfernt von ihm, glauben kann, Dhrenſauſen zu empfinden. „Wer auf fetten Moräſten das Geräuſch der ſ<nell auf die Waſſerfläche kommenden Blaſen gehört hat“, ſagt Graf Wodzicki, „wird ſih den Geſang des Rohrſ<hwirles gut verſinnlichen können. Oft iſt der Ton höher oder tiefer, ohne das ſonſt vorherrſchende R, als ob man ſchnell die Buchſtaben „gl gl gl gl gl“ wiederholte.“ Beim Singen ſißt der Vogel hoh oder niedrig, ausnahmSsweiſe au< ganz ruhig, den Kopf zurücgelegt, den Hals langgezogen, den Kropf ſtark aufgeblaſen. Während der Brutzeit ſingt er fleißig den ganzen Tag über bis zum Sonnenuntergange, nah Schauers Beobachtungen au< lebhaft während der ganzen Nacht. Sein Geſang täuſcht ebenſo wie der der übrigen Verwandten. Zum Baue des Neſtes, an welchem ſi<h beide Gatten des Paares beteiligen, ſ{hlepven ſie mühſelig die Niſtſtoffe herbei. Anfangs thun ſie ‘dies gemeinſchaftlih, ſpäter teilen ſie die Arbeit, indem das Männchen zuträgt und das Weibchen die Stoffe aus dem Schnabel nimmt und ſie ſodann verbaut. Das Männchen iſt luſtig und emſig bei der Arbeit und läßt ſein eintöniges „Kr, kr“ faſt ohne Aufhören ertönen. Zur Niſtſtätte wird eine geeignete Stelle im alten, hohen Schilfe oder im dichten, jedo<h nur ausnahmsweiſe im hohen Graſe gewählt, und hier ſteht der große Bau zumeiſt auf eingekni>ten Schilfſtengeln zuweilen 15, manchmal auh bis 60 und 90 em über dem Waſſer. Das Neſt beſteht nur aus breiten Schilfblättern, iſt aber ſo ſorgſam geflohten und inwendig ſo glatt, daß die Eier in der Mulde rollen. Feder Unbefangene würde es eher für das Neſt des Zwergrohrhuhns als für das eines Schilfſängers halten, ſo ähnlich iſ es jenem, nur kleiner. Die größere Anzahl der Neſter, welhe Wo dzicki unterſuchte, war ſpibvig, oben breit und nach unten hin kegelförmig abfallend, 10 cm hoch, 9 em breit und etwa 6—9 cm tief. Das Gelege beſteht aus 5, ſeltener 4 Eiern, welche entweder zu Ende des Mai oder im Anfange des Juni vollzählig ſind, in Form und Farbe außerordentlih abändern, einen Längsdurhmeſſer von 21—25, einen Querdurchmeſſer von 15—19 mm haben und auf weißlihem oder kalkweißem Grunde mit äußerſt feinen, das di>e Ende ganz bede>enden oder mit größeren gelben und braunſchwarz violetten Punkten nur ſpärlih beſprißt und dann denen der Klappergvasmüde ſehr ähnlich ſind, ebenſo wie andere wiederum an Pieper- und Heidelercheneier erinnern. Beide Gatten des Paares brüten abwechſelnd und mit ſolcher Hingebung, daß man ſie währenddem ganz gut beobachten kann; beide kommen auh, verſcheucht, ohne Bedenken ſofort zurü> und zwar entweder im Fluge oder von Aſt zu Aſt hüpfend. Ft die Brut groß gezogen, ſo verläßt alt und jung das Rohr, ſiedelt ins Schilf oder ins höhere