Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Liebesleben. Niſtpläße. Neſtbau. D

es in die Zweige, auf die Äſte, in vorgefundene ‘oder von ihnen ausgemeißelte Höhlen, in das Moos am Boden 2c., die Sumpfvögel zwiſchen Schilf und Röhricht, Ried und Gras am Ufer, auf kleine Fnſelchen oder hwimmend auf das Waſſer ſelbſt; einzelne Meervögel verbergen es in Klüften, ſelbſt gegrabenen Höhlen und an ähnlichen Orten: kurz, der Stand iſt ſo verſchieden, daß man im allgemeinen nur ſagen kann, jedes Neſt ſteht entweder verborgen und entzieht ſih dadurch den Blicken der Feinde, oder iſt, wenn es frei ſteht, ſo gebaut, daß es niht leiht bemerkt werden fann, oder ſteht endli<h an Orten, welche dem in Frage kommenden Feinde unzugänglih ſind. Die Familien- oder Ordnungsangehörigfeit eines Vogels berechtigt niht, anzunehmen, daß er ſein Neſt in derſelben Weiſe errichtet wie ſeine Verwandten, denn gerade hinſihtli<h des Standortes unterſcheiden ſich die verſchiedenen Glieder einer Familie, ja ſogar die einer Gattung erhebli. Der Menſch beeinflußt den Standort eines Neſtes oft weſentli, ſei es, daß er neue Wohnſitze ſchafft oder alte vernihtet. Alle Shwalbenarten, welche in Häuſern brüten, haben dieſe freiwillig mit Felsniſchen oder Baumhöhlungen vertauſcht und gehen unter Umſtänden noh heutzutage ſolchen Tauſch ein; Sperling und Hausrotſhwanz, Turm-, NRötel- und Wanderfalke, Schleiereule, Käuzchen, Felſen- und Turmſegler, Dohle, Hirtenſtar, Wiedehopf und andere mehr find ohne Einladung des Menſchen zu Hausbewohnern geworden; der Star und einer .oder der andere Höhlenbrüter haben ſolche Einladung angenommen. Anderſeits zwingt der Menſch dur< Ausrodung hohler Bäume und deren Reſte oder Abtragung der Steinhalden Meiſen und Steinſhmäßer in Erdhöhlen Niſtſtätten zu ſuchen.

Die einfachſten Neſter benuzen diejenigen Vögel, welche ihre Eier ohne jegliche Vorbereitung auf den Boden ablegen; an ſie reihen ſich diejenigen an, welche wenigſtens eine fleine Mulde für die Eier ſcharren; hierauf folgen die, welche dieſe Mulde mit weicheren Stoffen auskleiden. Dieſelbe Steigerung wiederholt ſih bei denen, welche anſtatt auf dem flachen Boden in Höhlen brüten, und in gewiſſem Sinne auc bei denjenigen, welche ein ſ{<wimmendes Neſt errichten, obgleich dieſe ſelbſtverſtändlich erſt eine Unterlage erbauen müſſen. Unter den Baumneſtern gibt es faſt ebenſo viele verſchiedenartige Bauten wie baumbewohnende Vögel. Die einen tragen nur wenige Reiſer liederlih zuſammen, die anderen richten wenigſtens eine ordentliche Unterlage her, dieſe mulden legtere aus, jene belegen die Mulde innen mit Ried und feinem Reiſig, andere wiederum mit Reiſern, Nütchen, Würzel<en, Haaren und Federn; mehrere überwölben die Mulde, und einzelne verlängern auch no< das Schlupfloch röhrenartig. Den Reiſigneſterbauern zunächſt ſtehen die Weber, welche nicht bloß Grashalme, ſondern auh wollige Pflanzenſtoffe verflehten, verweben und verfilzen, ſie ſogar mit vorgefundenen oder ſelbſt bereiteten Fäden förmlich zuſammennähen und damit ſich die Meiſterſchaft erwerben. Aber Meiſter in ihrer Kunſt ſind auch die Kleiber, welche die Wandungen ihres Neſtes aus Lehm herſtellen. Dieſer Stoff wird dur Einſpeichelung noh beſonders durchgearbeitet und verbeſſert oder ſein Zuſammenhang vermehrt, ſo daß das Neſt eine ſehr bedeutende Haltbarkeit gewinnt. Mehrere Kleiber verſ<hmähen übrigens Lehm gänzlich, tragen dagegen feine Pflanzenſtoffe, z. B. Moos und Blattteilchen, zuſammen und überziehen dieſe mit ihrem Speichel, andere endlih verwenden nur den leßteren, welcher, bald erhärtend, ſelbſt zur Wand des Neſtes werden muß. Jn der Regel dient das Neſt nur zur Aufnahme der Eier, zur Wiege und Kinderſtube der Jungen; einige Vögel aber erbauen ſich au< Spiel- und Vergnügungsneſter oder Winterherbergen, benuzen die Neſter wenigſtens als ſolche. Zu jenen gehören mehrere Weber- und die Atlas- und Kragenvögel, auh ein Sumpſfvogel, deſſen rieſenhaftes Neſt einen Brut - und Geſellſchaftsraum, ein Wach- und Speiſezimmer enthält, zu dieſen unter anderen die Spechte, welche immer in Baumhöhlen ſchlafen, oder unſere Sperlinge, welche während des Winters in dem warm ausgefütterten Neſte Nachtruhe halten.