Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1
26 Ein Blik auf das Leben dex Geſanthert,
ſind am 22. bereits vollſtändig ſelbſtändig. Andere ernähren ſich zwar teilweiſe ſelbſt, laſſen ſih jedoh no< am 30. Tage ihres Lebens füttern, Junge Zeiſige laufen Kanarienvögeln in vielen Beziehungen den Rang ab, verlaſſen am 13., 14. oder 15. Tage das Neſt und werden unter Umſtänden {hon am 19. Tage von der Mutter als erwachſen angeſehen, nämlih weggebiſſen, wenn ſie ſi< herandrängen wollen.
„Zn den erſten Tagen der Kindheit, bevor die winzigen Jungen ihre Köpfe an die Neſtwand legen, pflegen ſich ihre Väter bei der Fütterung gewöhnlih niht unmittelbar zu beteiligen. Dieſe Vernachläſſigung gleichen ſie dadur< reihlih aus, daß ſie ſpäter, zumal wenn die Weibchen vor eingetretener Selbſtändigkeit der Kinder bereits wieder brüten, die Pflege der letzteren faſt ganz allein übernehmen, ſowie dadur<, daß ſie in den erſten Tagen und während der ganzen Brutzeit ihren Gattinnen reihlihe Nahrung zutragen, damit ſie die Brütung nicht ſo oft zu unterbrechen brauchen. Den Jungen erwachſen hieraus DOPpelte Vorteile. Sie genießen ungeſtörter die Wärme der Mutter und erhalten zwiefach eingeſpeichelte und deshalb leihter verdauliche Speiſe. Che die Eltern ſi oder ihre Kinder aßen, weten ſie aus Reinlichkeits\ſinn in ſorgfältigſter Weiſe die Shnäbel. Die jungen Vögel kommen mit ſtarkem Hunger auf die Welt. Sie erheben, ſobald ſie troŒen geworden ſind, wie in ſhlaftrunkenem Taumel die unverhältnismäßig großen Köpfe mit ſo weit aufgeriſſenem Schnabel, daß er zu zittern pflegt. Jeder ſucht dem anderen den Biſſen wegzuſhnappen, und in der That wird derjenige, welcher den Hals am längſten re>t, regel: mäßig zunächſt bedacht, und erſt wenn ſein Kopf in den Keſſel zurükgeſunken iſt, kommen die feineren Kinder an die Reihe. Hierin liegt eine wirkſame Urſache für das Zurübleiben einzelner Neſthäkchen. Dank ihres überaus ſchnellen Stoffwechſels brauchen die Jungen in der Regel von ihren Eltern nicht zum Freſſen aufgefordert zu werden. Solange ſie blind ſind, erheben ſie bei der geringſten Bewegung der Mutter ihre weit geöffneten Schnäbel. Verzieht dieſelbe zu lange, dann drüden ſie die Shnabelſpize an die mütterliche Bruſt. Tritt einmal der ſeltene Fall ein, daß ſie überſättigt in tiefen Shlaf geſunken ſind und nicht ſperren mögen, ſo werden verſchiedene Ermunterungsverſuche angewendet. Zunächſt ſtoßen die Eltern ſanft girrende Töne aus. Fruchten dieſe niht, ſo tippen ſie in erſter Reihe auf die Schnabelwurzel, in zweiter Reihe nah fruchtloſem Bemühen auf die empfindlicheren Augenlider. Bleibt auch dies ohne Erfolg, dann bohren ſie ihre S<hnabelſpiße in den Schnabelſpalt der Jungen, um denſelben gewaltſam aufzubrehen. Zwei Zeiſigmütter waren im Futtereifer überſhwenglih und quälten dadurch ihre Kinder unabläſſig. Waren deren Kröpfe übermäßig angefüllt, und blieben alle Einladungsverſuche deshalb erfolglos, dann ſchoben ſie die Köpfe der Kleinen in liebreihſter, <meichelnder Weiſe wiederholt nah rehts und links, richteten ſie empor, legten \{hließlih ihre Shnabelſpiße 4 mm breit über den Sthnabelſpalt der Jungen und preßten den Schnabel leiht ein wenig auseinander, um ein paar Speiſebrötchen mit ſ{längelnder Zunge hineinzuſchieben. Der Speiſebrei, welcher anfänglich verfüttert wird, iſt di> und zähe wie ſtarker Sirup und dabei doch ſo waſſerhaltig, daß eine beſondere Tränkung niht ſtattzuhaben braut. Dur würgende Bewegungen wird immer“ eine zu drei, ſeltener zu fünf oder einer Gabe ausreihende Menge von Speiſebrei aus dem Kropfe hervorgeſtoßen, mit der Zunge ſorgfältig unterſucht, damit kein harter Teil mitverfüttert werde, und dann am Gaumen der Jungen abgeſeßt, ſo daß er, dank ſeiner Glätte und Schwere, ohne anſtrengende Schlu>bewegungen der leßteren in deren Schlund hinabſinkt. Ameiſenpuppen werden von Zeiſigen, vielleicht auh von anderen Körnerfreſſern, ganz verſhlu>t und ebenſo auh wieder ausgeſtoßen. Gewahren die Eltern beim Sperren der Jungen, daß von der vorigen Fütterung ein Krümchen auf der Zunge, an den Rachenwänden oder am Gaumen hängen geblieben iſt, ſo wird es behutſam aufgenommen, verſhlu>t und dann erſt weiter gefüttert. Ft der in einen der Schnäbel gelegte Biſſen zu groß ausgefallen,