Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, S. 554
512 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.
gebracht, ein Jmbiß genommmen und das Lager aufgeſucht, um für die Frühjagd die nöôtigen Kräfte zu gewinnen. Zu unſerer niht geringen Überraſchung kam es aber für diesmal niht zum Schlafen; denn unſer Jäger ſtellte ſich bereits um die zehnte Stunde ein und forderte uns auf, ihm jeßt zu folgen. Kopfſhüttelnd gehor<ten wir, und wenige Minuten ſpäter lag das einſame Gehöft bereits hinter uns.
Die Nacht war wundervoll. Es herrſchte jenes zweifelhafte Dämmerlicht, das unter ſo hohen Breiten um dieſe Zeit den einen Tag von dem anderen ſcheidet. Wir konnten alle Gegenſtände auf eine gewiſſe Entfernung hin unterſcheiden. Wohlbekannte Vögel, die bei uns zu Lande um dieſe Zeit ſhon längſt zur Ruhe gegangen ſind, ließen ſih noh vernehmen: der Ku>u>sruf ſchallte aus dem nahen Birkengeſtrüppe uns entgegen; das „Schaf ſchal“ der Wacholderdroſſel wurde laut, ſo oft wir eins jener Dickichte betraten; von der Ebene her tönten die hellen, flangvollen Stimmen der Strandläufer und die ſhwermütigen Rufe der Goldregenpfeifer; der Steinſchmäßer ſhnarrte dazu, und das Blaukehlchen gab ſein föſtliches Lied zum beſten.
Unſer Jagdgebiet war eine breite, von aufſteigenden Bergen begrenzte Hochebene, wie ſie die meiſten Gebirge Norwegens zeigen, ein Teil der Tundra. Hunderte und Tauſende von Bächen und Rinnſalen zerriſſen den fahlen gelblihen Teppich, den die Flete auf das Geröll gelegt hatte, hier und da zu einer größeren Lache ſih ausbreitend, auch wohl zu einem kleinen See ſi vereinigend. Das Geſtrüpp der Zwergbirke ſäumte die Ufer und trat an einzelnen Stellen zu einem Dickicht zuſammen. Auf der Hochebene ſelbſt war der Frühling bereits eingezogen; an den ſie einſchließenden Berglehnen hielten hartkruſtige S<hneefelder den Winter noh feſt.
Dieſen Berglehnen und Schneefeldern wandten wir uns zu, ſ{hweigſam, erwartungsvoll und auf die verſchiedenen Stimmen, die um uns her laut wurden, mit Aufmerkſamfeit und Wohlgefallen hörend. Etwa 400 Schritt ‘mochten wir in dieſer Weiſe zurü>gelegt haben, da blieb unſer Führer ſtehen und lauſchte und äugte wie ein Luchs in die Dämmerung hinaus. Daß ſeine Aufmerkſamkeit niht den erwähnten Vögeln galt, wußten wir; von dem Vorhandenſein anderer Tiere aber konnten wir niht das geringſte wahrnehmen. Erik Swenſon jedo<h mußte ſeiner Sache wohl ſicher ſein; denn er begann, nachdem er uns Schweigen geboten, mit dem erwarteten Wilde zu reden, indem er mit eigentümlicher Betonung einige Male hintereinander die Silben „djiake djiake dji:ak dji-ak“ ausrief. Unmittelbar nah ſeinem Lo>rufe hörten wix in der Ferne das Geräuſch eines aufſtehenden Huhnes, und in demſelben Augenbli>e vernahmen wir auh einen ſhallenden Ruf, der ungefähr wie „err-re>-e>-e>-e>“ klang. Dann ward wieder alles ſtill. Aber der Alte begann von neuem zu lo>en, ſ{mactender, ſhmelzender, hingebender, verführeriſcher, und ih merkte jeßt, daß er die Liebeslaute des Weibchens unſeres Fagdvogels nachahmte. Auf das „Djiak“/, das den liebesglühenden Hahn aufgerührt hatte, folgte jeßt cin zartes, ver: langendes und Gewährung verheißendes „Gu gu gu gurr“; der erregte Hahn antwortete in demſelben Augenbli>e, das Flügelgeräuſh wurde ſtärker, wir fielen hinter den Büſchen nieder: und unmittelbar vor uns, auf blendender Schneefläche, ſtand ein Hahn in voller Balz. Es war ein Anbli> zum Entzü>ken! Aber das Jägerfeuer war mächtiger als der Wunſch des Forſchers, ſol<h Schauſpiel zu genießen. Che ih wußte wie, war das erprobte Gewehr an der Wange, und bevor der Hahn einen Laut von ſih gegeben, wälzte er ſich in ſeinem Blute.
Der Knall des Schuſſes erwe>te den Widerhall, aber auch die Stimmen aller gefiederten Bewohner unſeres Gebietes. Von den Bergen hernieder und von der Thalſohle herauf ließen ſi<h Stimmen vernehmen; wenige Schritte vor uns rauſchte eine Entenſchar vom Waſſer auf; ein aufgeſheu<ter Ku>u> flog dur das Dämmerungsdunkel an uns vorüber;