Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, S. 555

Schneehühner: Allgemeines. Moorhuhn. DIS

Regenpfeifer und Strandläufer trillerten und flöteten. Allmählich wurde es wieder ruhig; und wir ſeßten unſeren Weg fort, den aufgenommenen Hahn mit Weidmannsluſt betrachtend. Schon wenige hundert Schritt weiter ließ der Alte wieder ſeine verführeriſchen Laute hören, und diesmal antworteten anſtatt eines Hahnes deren zwei. Ganz wie vorhin wurde der hißigſte von ihnen herbeigezaubert; jeßt aber gönnte ih mir die Freude der Beobachtung.

Am entgegengeſeßten Ende des Schneefeldes fiel der ſtolze Vogel ein, betrat leichten Ganges die Fläche und lief gerade auf uns zu. Es war noh hell genug, daß wir ihn ſchon in der Ferne deutlih wahrnehmen konnten. Aber der liebesraſende Geſell dachte nicht an Gefahr und kam näher und näher, bis auf wenige Schritt an uns heran, Den Stoß halb erhoben, die Fittiche geſenkt, den Kopf niedergebeugt: ſo lief er vorwärts. Da mit einem Male ſchien er ſih zu verwundern, daß die Lo>ungen geendet hatten, und nun begann er ſeinerſeits ſehnſüchtig zu rufen. Mehrmals warf er den Kopf in ſonderbarer Weiſe nach hinten, und tief aus dem Jnnerſten der Bruſt heraus klangen, dumpfen Kehllauten vergleichbar, abgeſeßte Rufe, die man durch die Silben „gaba-u gaba-u“ einigermaßen deutlih ausdrüden kann; dieſelben Laute, welche die Norweger durch die Worte „Hvor er hun“ („Wo iſt ſie?“) überſezen. Und der Alte war wirklich ſo kühn, mit ſeiner Menſchenſtimme gu antworten, den Hahn glauben zu machen, daß das Weiblein, die erſehnte Braut, ſih bloß im Gebüſche verſte>t habe. Leiſer und ſhmachtender als je rief er wiederholt in der vorhin angegebenen Weiſe, und eilfertig rannte der Hahn mit tief geſenktem Kopfe und hängenden Flügeln herbei, diht an uns heran und buchſtäbli<h über unſere Beine weg; denn wir lagen natürli der Länge nach auf dem Schnee. Doch'jeßt mochte ex ſeinen Jrrtum wohl eingeſehen haben; er ſtand plößlich auf, ſtiebte davon und rief allen Mitbewerbern ein warnendes, leiſes Knurren zu. Und nunmehr mochte der alte Jäger lo>en, wie er wollte: das Liebesfeuer der zahlreih verſammelten Hähne ſchien gedämpft zu ſein, ihre Sehnſucht wurde dur< ein wohlberehtigtes Bedenken überwogen. i

Doch wir zogen weiter und verhielten uns auf eine Stre>e von mehreren Minuten ganz ruhig, bis unſer Führer glaubte, daß wir in das Gebiet noch ungeſtörter Hähne eingetreten wären. Dort wurde die Jagd fortgeſeßt, und ih erlegte nah den erſten Lo>ungen einen zweiten und wenige Minuten ſpäter den dritten Hahn. Fett aber ſchienen die Vögel gewißigt worden zu ſein; es war vorüber mit der Jagd, nicht jedo<h auch vorüber mit der Beobachtung. Denn zu meiner Freude bemerkte ich, daß fortan die Weibchen, die ſih bisher ganz unſichtbar gemacht hatten, das Amt des Warners übernahmen, um ihre Liebhaber von dem Verderben abzuhalten. Wir wandten uns daher dem Gehöfte zu, ſtörten unterwegs noch viele, viele Paare der anziehenden Vógel auf und kamen mit Anbruch des Tages in unſerer Wohnung wieder an.

So lernte ih einen der häufigſten und anziehendſten Vögel des hohen Nordens, das Moorhuhn, kennen. Später bin ih no< manche Nacht hinausgezogen, um Schneehühner zu erlegen, und oben in Lappland und Sibirien habe ih ſie auc unter anderen Verhältniſſen ihres Lebens beobachtet: niht bloß in jenen ſtillen Stunden, in welchen die

„Mitternachtsſonn' auf den Bergen lag,

Blutrot anzuſchauen““, jondern au< um die Mittagszeit wenn ſie ihrer Nahrung nachgehen, oder wenn die mütterliche Henne die Schar ihrer reizenden Küchlein führt. Und immer und unter allen Umſtänden hat mi dieſer Vogel zu feſſeln gewußt.

Das Moorhuhn, Moraſt-, Weiden-, Thalſhnee- oder Weißhuhn, ſ<wediſ< Dal-ripa (Lagopus albus und subalpinus, Tetrao albus, lapponicus, cachinnans, saliceti und brachydactylus), ſteht in der Größe zwiſchen Virk- und Rebhuhn ungefähr

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Brehm, Tierleben, 3, Auflage. Y.