Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Küſtenſeeſhwalbe. Paradiesſeeſhwalbe. Rußſeeſhwalbe. 95

gemein. Auf ihren Neiſen wandert ſie, in hoher Luft dahinfliegend, langſam von einem Gewäſſer zum anderen, ſoviel wie mögli<h Strömen und Flüſſen folgend und, wenn ſie Hunger verſpürt, ſih auf dieſen oder jenen Teich niederlaſſend, um hier zu jagen und ein wenig zu ruhen. Fn der Winterherberge ſiedelt ſie ſih am Meere oder an ſüßen Gewäſſern an, ohne für dieſe oder jenes beſondere Vorliebe zu zeigen, wie ſie auh zum Brüten nicht ſelten eine geeignete Küſtenſtelle wählt.

Non den Verwandten zeihnet ſih die Flußſeeſhwalbe wohl nur durch die größere Schnelligkeit und Vielſeitigkeit ihres Fluges aus, wird aber auch hierin von einzelnen Familiengenoſſen, beiſpielsweiſe von der Brandſeeſchwalbe, übertroffen. Jhre gewöhnliche Stimme iſt das bekannte „Kriäh“, der Ausdru>k der Angſt ein leiſes „Kek“ oder „Krek“, das ſih bei wachſender Gefahr oft wiederholt und ſi, wenn dieſe geringer wird, in BEVCUESS umwandelt; im Zorne ruft ſie die Silbe „Frek“ ſo oft und haſtig aus, daß man die einzelnen Laute kaum no unterſcheiden kann. An Verſtand ſteht ſie anderen Verwandten in keiner Hinſiht nah. Kleine Fiſhchen, Waſſerfröſhchen und Froſchlarven, au<h wohl Würmer, Engerlinge und andere Kerbtiere im weiteſten Umfange bilden ihre Nahrung. Die im Waſſer lebenden Tiere gewinnt ſie dur<h Stoßtauchen; die am Boden liegenden oder am Graſe hängenden nimmt ſie fliegend auf.

Jhre Niſtpläße ſind niedrige Fnfeln und Uferbänke, womöglich ſolche, deren Grund kieſig, niht aber ſandig iſt. Hier bildet ſie eine kleine Vertiefung in dem Kieſe oder benußt eine bereits vorgefundene zum Neſte. Ende Mai findet man 2—8 große, 41 mm lange, 30 mm die, ſ{hön eiförmige, glattſchalige, feinkörnige, glanzloſe auf trübe roſtgelblichem oder bleich gelbgrauem Grunde mit violettgrauen, rötlichen und tief ſ{<warzbraunen, runden oder länglichen Fle>en, Tüpfeln und Punkten gezeichnete Eier, die während der Nacht vom Weibchen, bei Tage zeitweilig auh vom Männchen bebrütet, in den Mittagsſtunden aber der Sonnenwärme überlaſſen werden. JFnnerhalb 16—17 Tagen find die Jungen gezeitigt, entlaufen bald dem Neſte und verbergen ſich fortan bei Gefahr zwiſchen den größeren Steinen des Kiesbodens und anderen Unebenheiten, verraten ſih au< nur dann, wenn die Alte weggeſchoſſen wurde, durch klägliches Piepen, wachſen heran, können nah Verlauf von 2 Wochen bereits flattern und in der dritten Woche ihres Lebens ihren Eltern ſ{hon fliegend folgen, obwohl ſie deren Fluggeſchi>lichkeit erſt ſpäter erlernen.

An unſeren Binnengewäſſern bildet die Flußſeeſhwalbe ſelten große Anſiedelungen, wogegen am Meeresgeſtade oft Hunderte von ihr ſih zum Brüten vereinigen. Eine ſolche, am Strande der Jnſel Canaria gelegene Anſiedelung beſuchte Bolle. „Je weiter wir vorwärts ſchritten“, ſagt er, „deſto zahlreibere Pärchen erhoben fich, und bald mußten wir uns in aht nehmen, die Eier nicht zu zertreten: in ſolher Menge ſahen wië uns von ihnen umringt. Kaum hatten wir begonnen, ihre Eier in unſere Hüte und Körbe zu ſammeln, da erhob ſich, aufgeſchre>t und beunruhigt, die ganze ungeheure Menge von Flußſeeſhwalben, eine Schar von Tauſenden, in die Lüſte; wir bewegten uns wie unter einer ſhneeweißen Wolke. Das Gekreiſh war betäubend, und der Aufruhr der Vögel nahm noh zu, als vom anderen Ende des Strandes her mehrere fremde Männer, die ebenfalls Eier ſammelten, erſchienen. Aus dem beweglihen und lebenden Schirmdache über uns ſtachen bisweilen einige bis diht auf unſeren Kopf herab, wahrſcheinlich diejenigen, deren Neſter uns zunächſt lagen; entfernten wir uns etwas, ſo konnten wir deutlich ſehen, wie Männchen und Weibchen zu ihren Eiern zurü>kehrten und leßteres zum Brüten darauf Plaß nahm, während der treue Gatte zur Geſellſchaft neben ihm ſigen blieb. Wir verließen dieſen Ort nicht eher, als bis wir unſere Körbe bis zum Rande gefüllt hatten, was in weniger als einer Stunde geſchehen war. Die erwähnten Männer erzählten uns, daß für einzelne Weiler der Nachbarſchaft dieſe Brutanſiedelungen wochenlang eine ergiebige und eifrig