Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

102 Siebente Ordnung: Suchvögel; dritte Familie: Möwen.

Fluges mag die Urſache zu ſolch begeiſterter Auslaſſung geweſen ſein. Aber ihr Leben iſt noch in anderer Hinſicht beahten8wert. Sie wählt ſih zu ihren Ruhepläten vorzugsweiſe tieſe, ſchattige Waldungen und läßt ſi hier auf Bäumen nieder oder ſtreicht, vom Dunkelgrün dès Waldes wundervoll abſtechend, geſchi>t zwiſchen den Bäumen umher, den Eindringling in ihr ſtilles Heiligtum hartnäckig verfolgend. Cumming fand gelegentlich ſeines Beſuches der Eliſabethinſel, die weder menſchliche Bewohner no< ſüßes Waſſer beſißt, eine ihrer Brutanſiedelungen auf. Die Eier lagen auf wagere<ten Äſten in einer Verflachung, die eben hinreichte, ſie vor dem Herabwerfen dur<h Sturm zu ſhüßen. Jedes Pärchen legt nur ein einziges, verhältnismäßig großes, rundliches und auf bräunlihweißem Grunde mit braunen Fle>en, Punkten und S<hhnörkeln gezeichnetes Ei. Beide Eltern widmen ſih mit wärmſter Hingabe und Zärtlichkeit ihrem Sprößlinge und umſchwärmen den Menſchen, der ſich dem Niſtplaze naht, unter ängſtlichem Schreien in großer Nähe. Die Jungen müſſen ſo lange, bis ſie flattern gelernt haben, in der für ſie gefährlichen Wiege verweilen; viele verunglücen auch, indem ſie von oben herunterſtürzen. Peale beobachtete, daß ſie vorgugsweiſe mit kleinen Fiſchen geaßt wurden, vermutet aber, von den Bewegungen der Alten folgernd, daß dieſe nebenbei Spinnen und Kerbtiere von den Baumwipfeln wegnehmen und vielleicht ſolche Koſt ihren Jungen auftiſchen. Die Stimme der Alten wird von Pi>ering ein leiſes, ſ<hwaches Geheul genannt, ſoll aber niht oft vernommen werden.

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„Der freundliche Eindru>, den uns der Tropikvogel hinterließ“, erzählt Tſchudi, „WUTdEe dur das erſte Auftreten des Noddy oder der Dummen Seeſchwalbe unangenehm geſtört. Seine ganze Haltung, ſein unſteter, träger Flug, ſein langer Schwanz, ſeine ziemlih breiten Flügel laſſen ihn {hon von fern als Vertreter einer eignen Gattung erkennen. Er hat nicht die leichten, anmutigen Bewegungen anderer Seeſchwalben, nicht den ſicheren, flüchtigen Flug der Sturmvögel: fein ganzes Weſen trägt das Gepräge eines Fremdlings auf hoher See. Und doch findet man ihn häufig in weiter Entfernung vom feſten Lande. Wir können nit, wie beim Tölpel, eine Lanze wegen Ungerechtigkeit ſeines Namens brechen : denn dummdreiſt iſt der Noddy im höchſten Grade. Nicht ſelten geſchieht es, daß er den Matroſen in die Hände fliegt oder doh ſo nahe bei ihnen vorüberſtreicht, daß er mit einer Müge auf das Verde> geſchlagen werden kann. Wenn man bei Tage einen ſolchen Vogel in der Nähe des Schiffes ſieht, ſo darf man faſt mit Gewißheit darauf re<nen, daß er ih abends auf eine Nahe ſezt, um dort zu \ſ<hlafen.“

Mit dieſer Schilderung ſtimmen die Berichte der übrigen Reiſenden und Forſcher vollſtändig überein: alle bezeichnen dieſe Seeſchwalbe, welche wiederholt auh an Europas Küſten beobachtet und erlegt worden iſt, als eine der dümmſten Arten; nur über die Bewegungen ſpricht ſih Audubon etwas günſtiger aus. „Zhr Flug“, meint er, „hat große Ähnlichkeit mit dem des Nachtſchattens, wenn dieſer niedrig über Wieſen und Flüſſe dahinſtreiht. Wenn ſie ſih auf das Waſſer ſegen will, hebt ſie ihre ausgebreiteten Shwingen empor und berührt die Wellen zuerſt mit ihren Füßen. Sie {hwimmt mit Geſhi>k und Anmut und nimmt im Shwimmen Beute auf. Fhre Stimme iſt ein rauher Schrei, der an den einer jungen Krähe entfernt erinnert.“

Die Gattung der Tölpelſeeſ<hwalben (A nous) kennzeichnet ſi< dur etwas plumpen Leibesbau, mehr als fopflangen, ſtarken, faſt geraden, ſeitlich zuſammengedrü>ten, ſehr ſpizigen Schnabel, deſſen Unterkiefer ſich e>ig vorbiegt, kurze, aber kräftige Füße mit langen, durch volle Shwimmhäute verbundenen Zehen, lange, ſchmal zugeſpißte Flügel, deren Shwingenſpigen ſich etwas abrunden, und langen, keilförmigen Shwanz. Die Federn des Noddy (Anous stolidus, niger, leucoceps, pileatus, unicolor, fuscatus und frater, Sterna