Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

104 Siebente Ordnung: Suchvögel; dritte Familie: Möwen.

Die Unterfamilie zählt zwar, ſoviel uns bekannt, nur drei Arten, verbreitet ſih aber über die Wendekreisländer ebenſo vieler Erdteile, über Südaſien, Mittelafrika und Südamerika nämlich. '

Am mittleren und oberen Nil habe ih eine Art der Gattung, die wir kurzweg Scherenſ{nabel nennen wollen (Rhynchops flavirostris, albirostris und orientalis) fennen gelernt. Bei ihm ſind Stirn, Geſicht, Shwanz und Unterſeite ſowie die Spizen der großen Flügelde>federn weiß, Oberkopf, Hinterhals, Na>en und Mantel ſ{warzbraun. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel und der Fuß korallenrot. Die Länge beträgt 45, die Breite 110, die Fittichlänge 34, die Schwanzlänge 7 cm.

Der Scherenſchnabel fliegt zwar bei Tage ebenſogut wie bei Nacht, aber nur, wenn er aufgeſheu<t worden iſt. Sonſt liegt er bewegungslos auf Sandbänken, gewöhnlich platt auf dem Vauche, ſeltener auf den kleinen, <hwächlihen Füßen ſtehend. Währenddem vernimmt man nicht einen einzigen Laut von ihm, ſieht ihn auch ſelten cine Bewegung ausführen. Mit Sonnenuntergang, bei trübem Himmel auch ſhon in den ſpäten Nachmittagsſtunden, wird er lebendig, regt und ſtre>t ſi<, hebt die Flügel fängt an, hin und her zu trippeln und zu rufen; na< Einbruch der Nacht fliegt er auf Nahrung aus. Pechuel-Loeſche ſah ihn übrigens in Niederguinea dies au<h am Tage thun. Unter langſamen Flügelſchlägen gleitet er geräuſchlos diht über der Waſſerfläche dahin, von Zeit zu Zeit den unteren Schnabel minutenlang eintauchend und ſo das Waſſer pflügend; dabei nimmt er die auf der Oberfläche {<wimmenden Kerbtiere auf, die wenigſtens in den Nilländern ſeine Hauptnahrung bilden. Kleine Fiſhe mögen ebenfalls von ihm erbeutet werden. Sein Flug iſt leiht und ſ{hön, aber inſofern abſonderlich, weil die Flügel ſehr erhoben werden müſſen, da ſonſt ihre Spizen die Waſſerfläche berühren würden. Der verhältnismäßig ſehr lange Hals ermöglicht ihm ſolchen Flug und erlaubt ihm, ſeinen Körper noch einige Centimeter über der Oberfläche des Waſſers zu tragen, in das er doh einen guten Teil ſeines Schnabels ſte>Œen muß. Zum Schwimmen entſchließt er ſi< ſc<einbar nur im Notfalle, beiſpielweiſe wenn er verwundet in das Waſſer fällt. Seine Jagden dehnt er zumal dann auf weite Stre>en des Stromes aus, wenn er in zahlreicherer Geſellſchaft auf einer Fnſel wohnt, ſein Beutegebiet alſo durh andere geſ<mälert ſieht. Jn Mittelafrika verläßt er wohl nur ſelten den Strom, um an benachbarten Regenteichen zu jagen; im Oſten und Weſten des Erdteiles dagegen mag er ebenſo wie ſein amerikaniſcher Vecwandter ſtillere Meeresteile beſuchen. Von der fliegenden Geſellſhaft hört man oſt den eigentümlichen klagenden, mit Worten kaum wiederzugebenden, von dem eines jeden anderen mir bekannten Vogels verſchiedenen Ruf.

Jn der Nähe von Dongola fand ih im Mai einen Brutplag des Scherenſhnabels auf. Viele der Vögel, die platt auf einer großen ſandigen Fnſel lagen, hatten mi auf legtere gelo>t, und ih wurde, als ih den Fuß ans Land ſegzte, ſo ängſtlich umkreiſt, daß ih über die Urſache kaum in Zweifel bleiben konnte. Zu meiner lebhaften Freude fand ih auh nah kurzem Suchen die eben angefangenen oder ſhon vollendeten Neſter auf, einfache, in den Sand gegrabene Vertiefungen, die deshalb etwas Eigentümliches hatten, weil von ihnen aus nah allen Richtungen hin ſo fein gezogene Strahlen ausliefen, als ob ſie mit dem Nüden eines Meſſers eingegraben worden wären; ſie konnten erflärliherweiſe nur von dem Unterſhnabel unſeres Vogels herrühren. Die Eier, die wir fanden und ſpäter unzweifelhaft als die des Scherenſhnabels erkennen mußten, waren denen der Seeſhwalben außerordentli<h ähnli<h, verhältnismäßig klein, dur<ſ<hnittli<h nur 42 mm lang, 26 mm did, rein eiförmig und auf graugrünlichem, ins Gelbliche fallendem Grunde unregelmäßig mit helleren und dunkleren, grau- und dunkelbräunlichen Fle>en und Strichelchen gezeihnet.