Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Scherenſhnabel. Möwen: Allgemeines. 105

Sn jedem Neſte fanden wir deren 3—5. Ob beide Geſchlehter brüten, oder ob nur das Weibchen ſich dieſem Geſchäfte unterzieht, habe ih nicht exfahren, auh über das Jugendleben der Küchlein keine Beobahtungen ſammeln können; wahrſcheinlih aber dürfen wir annehmen, daß ſih die Jungen des afrikaniſchen Scherenſhnabels ebenſo benehmen wie die des in Jndien lebenden Verwandten, über den Ferdon Folgendes berichtet hat. „Es war höchſt anziehend zu ſehen, wie das Heer dieſer kleinen Burſchen, das ungefähr 100 Stü zählen mochte, vor uns dahin rannte, eilig genug, und als wir das Ende der Sandbank erreicht hatten, ſih anſchi>te, fortzuſhwimmen, während einige ſih niederdrü>ten. Das Schwimmen verſtanden ſie aber nicht, ſie ſanken wenigſtens ſehr tief in das Waſſer ein.“ An der amerikaniſchen Art hat man beobachtet, daß das Wachstum ziemlich langſam von ſtatten geht.

„Raben des Meeres“ nenne ih die Möwen (Larinae); denn jenen Vögeln entſprechen ſie in ihrem Sein und Weſen. Sie bilden eine nah außen hin wohlabgegrenzte Unterfamilie und ſind gut gebaute, kräftige Vögel von ſehr verſchiedener Größe, da die fleinſten Arten eine Dohle an Leibesumfang kaum übertreffen, während die größeren hierin einem Adler ungefähr gleichkommen. Der Leib iſt kräftig, der Hals kurz, der Kopf ziemlich groß, der Shnabel mittellang, ſeitlich ſtark zuſammengedrüdt, bis zur Mitte des Firſtes gerade, von hier aus ſanfthakig abwärts gebogen, ſein Unterkiefer von der Spiße e>ig vorgezogen, oben und unten ſcharfſhneidig, der Rachen bis ans Auge geſpalten, der Fuß mittelho<, ſchlankläufig, mit wenigen Ausnahmen vierzehig und vorn ſ{hwimmhäutig, der Flügel groß, lang, breit, jedo<h ſ<hmal zugeſpibt, unter den Schwingen die erſte über die übrigen verlängert, der aus zwölf Federn beſtehende Schwanz mittellang, breit und gerade, ſeltener ſeicht ausgeſhhnitten oder in der Mitte auch etwas verlängert, das Kleingefieder ſehr dicht, auf der Unterſeite pelzartig, aber weih und ſanft, die Färbung eine zarte und anſprechende, im ganzen ſehr übereinſtimmende, nach Jahreszeit und Alter meiſt verſchiedene. Der innere Bau ähnelt in allen weſentlichen Stücken dem der Seeſchwalben.

Die Möwen, von welchen man etwa 80 Arten unterſchieden hat, verbreiten ſih über alle Teile unſerer Erde und beleben alle Meere. Wenige Arten entfernen ſih weit vom Lande und kehren, wenn ſie es thun, immer wieder bald zu ihm zurü>, ſo daß man ſie eigentli als Küſtenvögel bezeihnen muß. Für den Schiffer ſind fie die ſicherſten Boten des Landes: wenn ſie erſt wieder ein Fahrzeug umkreiſen, iſt die Küſte niht mehr fern. Eher noch als auf die hohe See hinaus fliegen ſie in das Fnnere des Binnenlandes, dem Laufe größerer Ströme folgend oder von einem Gewäſſer zu dem anderen ſih wendend. Einzelne Arten bevorzugen übrigens Binnengewäſſer, wählen ſie wenigſtens während der Fortpflanzungszeit zu ihrem Aufenthaltsorte. Viele Arten gehören zu den Zugvögeln, erſcheinen in der nordiſhen Heimat im Frühlinge, brüten und begeben ſih im Spätherbſte wieder auf die Reiſe, andere wandern oder ſtreichen. Dieſe Ortsveränderungen hängen aufs engſte mit der Ernährung zuſammen. Für alle Möwen ohne Ausnahme bilden Fiſche eine beliebte Nahrung; viele von ihnen aber gehören zu den eifrigſten Kerbtierjägern, und gerade ſie ſind es, die zu regelmäßigem Ziehen gezwungen werden, während die übrigen da, wo das Meer niht vereiſt, auh im Winter noh offenen Tiſh haben. Neben dieſen beiden Hauptnahrungsſtoffen erbeuten ſie alle kleineren Tiere, welche das Meer beherbergt, oder alle tieriſhen Stoffe überhaupt. Sie freſſen Aas wie die Geier, jagen nach lebender Beute wie Raubvögel und leſen am Strande zuſammen wie Tauben oder Hühner, bethätigen überhaupt dieſelbe Vielſeitigkeit wie die Raben, ſind jedo<h gieriger und gefräßiger