Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Allgemeines. 107

buchſtäblihen Sinne des Wortes ganze Felswände oder Berge, benußen jeden Naum, der ſich darbietet, und legen ein Neſt ſo dicht neben dem anderen an, daß die brütenden Alten ſich drängen. Die Neſter ſind je nah dem Standorte verſchieden, da, wo es an Bauſtoffen niht mangelt, einigermaßen ausgebaut, d. h. aus tro>œenen Waſſer- und Strandflechten lo>er und kunſtlos errichtet, da, wo ſolche Stoffe fehlen, ſo einfach wie möglich hergerichtet. 2 — 4 große, eigeſtaltige, ſtarkſchalige, grobkörnige, auf ſ<mußig oder braungrünlichem oder grünbräunlichem Grunde aſchgrau und ſhwarzbraun gefle>te Eier bilden das Gelege und werden vom Männchen und Weibchen wechſelweiſe 3—4 Wochen lang, bei ſ{<le<tem Wetter anhaltender als bei gutem, bebrütet. Beide Eltern zeigen außerordentlihe Anhänglichkeit an die Brut und vergeſſen, wenn ſie dieſe gefährdet ſehen, jede Nückſicht. Die Fungen fommen in einem dichten, gefleŒten Daunenkleide zur Welt und verlaſſen das Neſt da, wo ſie dies können, ſchon in den erſten Tagen, fortan ſi<h am Strande umhertreibend und nötigen Falles ſih zwiſchen Bodenerhebungen verbergend oder im Waſſer Zuflucht ſuchend; diejenigen aber, welhe auf den Geſimſen ſteiler Felswände erbrütet wurden, müſſen hier ausdauern, bis ihnen die Shwingen gewachſen ſind. Anfänglich erhalten die Jungen halb verdaute Nahrung von den Alten vorgewürgt, ſpäter werden ſie mit friſch gefangenen oder aufgeleſenen tieriſchen Stoffen geaßt. Nach dem Ausfliegen verweilen ſie noh einige Zeit in Geſellſchaft ihrer Eltern, verlaſſen nunmehr aber die Brutpläße und zerſtreuen ſih nach allen Seiten hin.

Jm hohen Norden der Erde zählt man die Möwen nicht bloß zu den ſ{<önſten, ſondern auch zu den nüglihſten Vögeln und hegt und pflegt fie ebenſo wie die übrigen Kinder des Meeres, die alljährlih auf den Vogelbergen erſcheinen. Mömweneier bilden für einzelne Grundbeſißer Norwegens einen weſentlichen Teil des Ertrages ihres Gutes, werden von den Landeigentümern gern gegeſſen, weithin verſandt und verhältni8mäßig teuer verwertet, und Möwenfedern müſſen den ärmeren Nordländern die Ciderdaunen und Gänſefedern, welche die reicheren zur Füllung ihrer Betten benugen, exſeßen. An dem Fleiſche alter Möwen finden nur einige der nördlihſten Völkerſchaften Geſhma>;, junge hingegen werden auh von den Helgoländern, Jsländern und anderen gern gegeſſen und geben, geſchi>t zubereitet, wirkli ein erträgliches Gericht; do<h ſhäßt man Eier und Federn überall höher als das Wildbret. Jn einigen Gegenden werden alljährlih große Jagden auf Möwen abgehalten, mehr aus Mordluſt, als um die Vögel wirklih zu nußen; im höheren Norden hingegen verfolgt man ſie niht. Ein weißes Taſchentuch, in die Luft geworfen, genügt, um eine Möwe herbeizuziehen; und hat man ſie erſt erlegt, ſo lo> man auch bald noh viele andere zu ſi heran; denn jede, die einen weißen Gegenſtand aus hoher Luft auf das Waſſer ſtürzen ſieht, meint, daß dort guter Fang zu machen ſei und kommt neidiſch zur Stelle, um ſich hiervon zu überzeugen. Der Fang wird auf verſchiedene Weiſe bewerkſtelligt: man legt Schlingen auf Sandbänke, ködert Nebe mit Fiſchen, wirft beſpid>te Angelhaken aus und erreicht durch dieſes oder jenes Mittel in der Regel ſeinen Zwe. Gefangene laſſen ſi leiht erhalten, ſind aber etwas koſtſpielige Pfleglinge des Tierliebhabers, weil man ihnen Fiſche oder Fleiſhnahrung reihen muß, wenn man ihren Bedürfniſſen genügen will. Geſchieht leßteres, ſo finden ſie ſih bald in ihr Schitfal, gewöhnen ſi an den Ort und den Pfleger, unterſcheiden ihn ſehr genau von anderen Menſchen, begrüßen ihn mit fröhlihem Geſchrei, wenn er ſih ſehen läßt, antworten auf den Anruf und können faſt in demſelben Grade gezähmt werden wie ein Kolkrabe oder eine E pflanzen ſi<h auch, falls man ihnen einen größeren Naum anweiſt, in der Gefangen[haft fort.