Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

116 Siebente Ordnung: Suchvögel; dritte Familie: Möwen.

und ſ{ließli< kann man, dank ſeinen Pfleglingen, tagtäglich ſo viele Beſucher erhalten, daß beſondere Vorkehrungen nötig werden, ſie auh entſprechend zu bewirten.

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Schlanker Leibesbau, langer Flügel und Schwanz, niederer Fuß und kurze Shwimmhäute kennzeihnen die Eisfeldmöwen (Gavia), die ſich auh dur< das im Alter rein weiße Gefieder ſehr auszeihnen.

Die Elfenbeinmöwe, auh Schneemöwe und Natsherr genannt (Gavia alba, eburnea und brachytarsa, Pagophila eburnea, brachytarsa und nivea, Larus eburneus, albus und brachytarsus, Cetosparactes eburneus), if rein weiß, auf den Shwingen zuweilen roſenrot überhaut, das Auge gelb, der Augenring karmeſinrot der Schnabel von der Wurzel bis zur Hälfte ſeiner Länge bläulich, an der Spie rotgelb, ein Ring vor den Naſenlöchern grünlichgelb, der Fuß ſ<hwarz. Jm Jugendkleide ſind Kopf und Hals gräulich, die Federn des Mantels, die Shwingen- und Steuerfederſpißen ſ{hwarz gefle>t. Die Länge beträgt 52, die Breite 110, die Fittichlänge 32, die Shwanzlänge 14 cm.

Der hohe Norden der Erde iſt der gewöhnliche Aufenthalt dieſer Möwe; von hier aus fommt ſie, immer aber ſelten, als Frrling in niederere Breiten herab. Man hat ſie auf Spibbergen, im aſiatiſchen Eismeere, im Norden Grönlands regelmäßig beobachtet, findet ſie aber ſhon auf Fsland niht mehr. Auf Grönland iſt ſie, laut Holböll, nicht gerade ſelten, und während und nah den ſ{hweren Herbſt- und Winterſtürmen zeigt ſie ſich zuweilen in Menge. Wie alle hohnordiſchen Vögel iſt ſie ſehr einfältig und leiht zu fangen; denn ſie kennt die Gefährlichkeit des Menſchen niht. „Erwieſen iſt es“, ſagt Holböll, „daß man ſie, wenn man ein Stü>k Spe> an eine Schnur bindet und dieſes ins Waſſer wirft, oft ſehr nahe an ſi< heranlo>en und mit Händen greifen kann; ja, ein Grönländer, der mix eine junge brachte, erzählte mir, ex habe ſie dadurch geködert, daß er ſeine Zunge hervorſtre>te und bewegte, worauf er ſie mit ſeinem Ruder erſchlug.“ Malmgren berichtet ausführlicher. Dieſe ausgezeihnet ſhöne Möwe, ſo ungefähr ſagt dieſer Forſcher, dürfte nur ausnahms3weiſe das Treibeisgebiet des nördlichen Meeres verlaſſen. Fn Spißbergen iſt ſie gemein; doch ſieht man ſie ſelten anderswo als in der Nähe des Ciſes. Sie ſezt ſih, wie ſchon der alte Seefahrer Martens beobachtete, niemals auf das Waſſer, wie andere Möwen, ſondern hält ſih ſtets an der Eiskante. Jhren Raub nimmt ſie fliegend geſchi>t mit dem Schnabel vom Waſſer auf. Sie und der Eisſturmvogel finden ſi< in Menge da ein, wo ein Walroß oder eine Robbe zerlegt wird, und ſie ſind dann ſo wenig ſcheu, daß man ſie dur< Vorwerfen von Spe>ſtü>en ſo nahe heranlo>en fann, wie man will. Bei dieſen Zerlegungsſtellen <hwimmt der Eisſturmvogel im Waſſer umher, während die Elfenbeinmöwe neben ihm auf dem Eiſe ſteht oder fliegend umherſhwebt. Sie frißt gern von den Leichen der dur die Walroßjäger getöteten Tiere und nimmt auh vorlieb mit den Biſſen, die von den Mahlzeiten der Eisbären übrigbleiben: ihre wichtigſte Nahrung aber beſteht, wie Martens ebenfalls angibt, in dem Kote der Robben und Walroſſe. Sie verweilt lange bei den Löchern in dem feſten Eiſe, dur<h welche die Robben aufzuſteigen pflegen, in geduldiger Erwartung der Seehunde. Jhrer 3—5 ſißen hier zuſammen, rund um jede Öffnung, ſtill und unbeweglih, mit dem Kopfe dem Loche zugewendet, dur<h das die Robbe kommen ſoll. Es ſcheint dann wirklih, als ob ſie, um einen runden Tiſch ſißend, Rat hielten, und ohne Zweifel hat dieſe ihre Sitte Anlaß gegeben zu dem von Martens (1675) aufgebrachten ſonderbaren Namen „Ratsherr“. Rund um das Loch im Eiſe ſind die Nuhepläze der Robben von deren Kote braun gefärbt, dieſer ſelbſt aber iſt größtenteils von den Vögeln verzehrt.