Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Elfenbeinmöwe. Stummelmöwe. IT

Malmgren fand am 7. Juli am nördlichen Strande der Murchiſonbai, und zwar an einer hohen und ſharfen Wand eines Kalkfelſens, eine Menge von Elfenbeinmöwen. Eis- und Stummelmöwen lebten unter ihnen und hatten den oberen Gürtel der Bergwand in Beſiß genommen, während die Elfenbeinmöwen ſi niedriger in einer Höhe von 15—50 m über dem Meere in Rißen und Klüften aufhielten. Man konnte deutlich merken, daß die Weibchen auf ihren Neſtern ſaßen; dieſe aber waren unzugänglih, und erſt am 30. Juni geſtatteten es die Umſtände, einen Verſuch zu machen, mit Hilfe eines langen Taues und ſonſtiger Unterſtüzung an die Niſtſtelle zu kommen. Es wurden zwei von den am niedrigſt ſtehenden Neſtern erreiht und je ein Ei ausgehoben. Das Neſt war kunſtlos und ohne Zuſammenhang; es beſtand aus einer flachen, etwa 20 em breiten Vertiefung in dem loſen Boden des Geſimſes und war innen nachläſſig mit tro>enen Pflanzen, Gras, Moos und einigen Federn bede>t. Die Eier waren ſtark bebrütet. Beide Weibchen wurden auf den Neſtern geſchoſſen. Die Männchen, die im Anfange ſihtbar waren, verſhwanden, als man in die Nähe ihrer Neſter gelangte.

I

„Wer noch nie einen von dreizehigen Möwen beſeßten Vogelberg ſah“, ſagt Holböll, „Xann ſih ebenſowenig einen Begriff von der eigentümlichen Schönheit wie von der Menge dieſer Vögel machen. Man könnte einen ſolchen Möwenberg vielleicht mit einem rieſenhaften Taubenſthlage, bewohnt von Millionen gleichgefärbter Tauben, vergleichen. Der Berg Jnujuatuk iſt eine Viertelmeile lang und der ganzen Länge nach mehr oder minder ſtark mit verſhiedenen Möwenarten beſezt und dies bis zu einer Höhe, daß man die oberſten Vögel nur als kleine weiße Punkte erkennen kann.“ Kürzer und maleriſcher drüdt ſih Faber aus. „Jn Grimsös Vogelbergen niſten ſie in ſolher Menge, daß ſie die Sonne verdunkeln, wenn ſie auffliegen, die Schären bede>en, wenn ſie ſigen, die Ohren betäuben, wenn ſie ſchreien, und den von Löffelkraut grünen Felſen weiß färben, wenn ſie brüten.“ Als ih mich zur Reiſe nah Lappland anſchi>te, hatte ih ſelbſtverſtändlich beider Schilderungen geleſen und deren Wahrheit auh nicht bezweifelt; das wahre Bild eines Möwenberges aber gewann ih doch erſt an einem mir unvergeßlichen Tage, am 22. Juli, der mih an dem Vorgebirge Svärholm, unweit des Nordkaps, vorüberführte; ih gewann es erſt, nachdem mein lieben8würdiger Freund, der Führer des Poſtdampfſchiſfes, das mich trug, eines ſeiner Geſchüße abgefeuert hatte, um die Möwen aufzuſcheuhen. Eine gewaltige Wand war mir erſchienen wie eine rieſenhafte, mit Millionen kleiner weißer Pünktchen bede>te Schiefertafel; unmittelbar nah dem Donner des Schuſſes löſten ſi dieſe Pünktchen teilweiſe ab vom dunfeln Grunde, wurden lebendig, zu Vögeln, zu blendenden Möwen, und ſenkten ſih minutenlang auf das Meer hernieder, ſo dit, in einer ſo ununterbrochenen Folge, daß ih meinte, ein unerwarteter Schneeſturm ſei losgebrochen und wirbele rieſenhafte Flo>en vom Himmel hernieder. Minutenlang \cneite es Vögel, auf unabſehbare Ferne hin bede>te ſich das Meer mit ihnen, und noch erſchien die Wand faſt ebenſo dicht betüpfelt wie früher.

Die Stummelmöwe oder Dreizehenmöwe (Rissa tridactyla, cinerea, brachyrhyncha, borealis, minor, gregaria, nivea und kotzebuei, Larus rissa, tridactylus, cinerarius, torquatus und gavia, Laroides tridactylus, rissa und minor, Cheimonia tridactyla) vertritt eine gleihnamige Gattung (Rissa), als deren wichtigſtes Kennzeichen gelten muß, daß die Hinterzehe des Fußes fehlt oder doh nur angedeutet iſt. Will man ſonſt noh nah unterſcheidenden Merkmalen ſuchen, ſo kann man ſie in dem ſhwächlichen Schnabel und den verhältnismäßig kurzen, aber langzehigen, alſo au<h mit großen Shwimmhäuten verſehenen Füßen finden. Das Gefieder des alten Vogels iſt auf Kopf, Hals, Unterrüden, Schwanz und Unterſeite blendend weiß, auf dem Mantel möwenblau; die Schwingen