Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Kreiſhraubmöwe: Weſen. Stimme. Vorkommen. Fortpflanzung. 127

ſie ſich zu unterſcheiden: ſie liebt Geſelligkeit mit anderen ihrer Art. Außer der Brutzeit ſieht man ſie öfters zu kleinen Geſellſchaften vereinigt, während dieſer, im Gegenſaße zu Verwandten, paarweiſe ſo getrennt, daß jedes einzelne Pärchen ein gewiſſes Gebiet bewohnt. Von den kleineren Möwen wird ſie ebenſo gefürchtet wie die Skua von größeren Seefliegern; auffallenderweiſe aber niſten Brachvögel, Schnepfen und Auſternfiſcher oder Sturmmöwen regelmäßig mit ihr auf derſelben Moorfläche.

Auf den Lofoten wie in der Tundra der Samojedenhalbinſel habe ih die Shmaroßerraubmöwe wochenlang tagtäglich beobachtet und dabei bemerkt, daß ſie während des Hochſommers in der Nacht ebenſo thätig iſt wie bei Tage. Oft ſcien es mir, als ob ſie ſich ſtundenlang mit Kerbtierfangen beſchäftigte; troßdem fand ih in den Magen der von mir Erlegten nur kleine Fiſche und Lemminge. Als Neſterplünderer habe ih ſie niht kennen gelernt; dagegen verfolgte auch ſie die Sturmmöwen beſtändig und zwang dieſe, ihr die eben gefangene Beute abzutreten. Seeſchwalben und Lummen ſollen no< mehr von ihr geplagt werden als die Möwen. Demungeachtet bildet die erpreßte Beute \<werlih den Hauptteil der Nahrung einer Shmaroßerraubmöwe, wie man wohl glauben möchte; denn ebenſo oft, wie man ſie bei der Verfolgung anderer Vögel beobachtet, ſieht man ſie über dem Moore oder am Strande des Meeres beſchäftigt, dort auf Lemminge jagend oder allerlei Gewürm und Beeren, hier das von den Wellen an den Strand geworfene Seegetier auflefend.

Mitte Mai erſcheint auh die Shmaroßerraubmöwe auf dem Feſtlande, und zwar in der Tundra, um zu brüten. Auf einem größeren Moore kann man 50—100 Paare bemerken; jedes einzelne aber hat ſi ein beſtimmtes Gebiet abgegrenzt und verteidigt es gegen andere derſelben Art. Das Neſt ſteht auf einem Hügelchen im Moore und iſt eine einfache, aber wohl aus8geglättete Vertiefung. Die Eier, die man ſelten vor Mitte Juni findet, exinnern entfernt an die gewiſſer Schnepfenvögel, ſind dur<ſchnittli<h etwa 55 mm lang, 42 mm did, feinförnig, ſchwach glänzend und auf trübe öl: oder braungrünem Grunde mit düſtergrauen und dunkel öl: oder rötlich-ſhwarzbraunen Kle>ſen und Punkten, Schlingen und feinen Haarzügen gezeihnet. Naumann ſagt, daß die Schmaroßzermöwe nie mehr als 2 Eier lege, während ih verſichern darf, wiederholt 3 in einem Neſte gefunden zu haben. Beide Gatten brüten abwechſelnd und zeigen die lebhafteſte Beſorgnis, wenn ein Menſch dem Neſte naht, kommen ſcon von weitem dem Störenfriede entgegen, umſfliegen ihn im Kreiſe, werfen ſi< auf den Boden hinab, ſuchen die Aufmerkſamkeit auf ſih zu ziehen, nehmen zu Verſtellungskünſten ihre Zuflucht, hüpfen und flattern unter ſonderbarem Ziſchen auf dem Boden fort, fliegen, wenn man an ſie hinangeht, auf, beginnen aber ſofort das alte Spiel von neuem; ſo kühn ſind ſie jedo< nicht wie die größeren Arten ihrer Familie, wenigſtens habe ih nie erfahren, daß ſi eins der von mir beobachteten Pärchen dreiſter gezeigt hätte als die etwa gleichgroßen Sturmmöwen. Dagegen verfolgen ſie Raubvögel mit TodeSvera<htung und treiben ſelbſt den Wanderfalken in die Flucht. Das Jugendleben der netten Zungen verläuft in ähnlicher Weiſe wie bei den verwandten Arten.

Der Norman iſt zwar kein beſonderer Freund der Shmaroßerraubmöwe, läßt ſie aber unbehelligt, wenn au< wohl nux deshalb, weil er dur ihre Jagd am Brutplaße die anderen ihm nüglihen Vögel nicht ſtören will. Fhre Eier werden ebenſo gern gegeſſen wie die der Möwen, ſtehen dieſen auh an Wohlgeſ<hma> niht nah. Nur die Lappen jagen den Vogel, um ſein Wildbret zu benugen, und zwar mit Angeln, die dur ein Stückchen Fiſch oder Vogelfleiſh geködert werden. Der Forſcher erlegt ſie am leichteſten in der Nähe des Neſtes oder in der Fremde, beiſpiel8weiſe alſo bei uns in Mitteldeutſchland, auf dem Meere dagegen nicht ohne vorhergehende Lo>kung; wenigſtens habe ih ſie in Norwegen immer vorſichtig gefunden. Naumann erzählt, daß einer ſeiner Freunde eine Shmaroßermöwe anſchoß und zu ſeinem größten Befremden von dem Vogel angegriffen, wenigſtens in