Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

180 Siebente Ordnung: Suchvögel; vierte Familie: Flügeltaucher.

halte ih den Lund für den munterſten und klügſten. Wenn er ruhig vor ſeinem Loche ſibt, iſt man allerdings geneigt, ihn mit Faber für langweilig und einfältig zu halten, und wenn man erfährt, daß er angeſichts eines Menſchen, der ſeinen Brutberg beſucht, anſtatt in das Meer zu fliegen, nur in die kurze Niſthöhle frie<t, an deren Ende ſich knurrend zur Wehr ſtellt, hier aber auh, ohne eigentlih an Flucht zu denken, ſih ergreifen läßt, hält man ſih für berechtigt, ihn ſogar dumm zu ſchelten. Eine ſolche Anſicht wird no< weſentli unterſtüßt, wenn man einen gefangenen, wie ih es gethan habe, vom Brutberge wegführt und wenige hundert Schritt vom Meere auf ebenem Boden freiläßt; denn hier zeigt ſih der Vogel ſo verblüfft, daß er die Bedeutung ſeiner Schwingen gänzlih zu vergeſſen ſcheint, ſi<h in die Luft werfen läßt und eben nur wieder zum Boden herabflattert, niht aber daran denkt, dem nahen Meere zuzufliegen, daß er erboſt jedem ſih nahenden Menſchen entgegentritt, Hunden wohl ſeinen Mann ſteht, ſih jedo<h auch durch ſie niht zum Fluge bewegen läßt. Solche Anſichten ändert man, falls man denſelben Vogel verfolgt, wenn ex ſih in ſeinem Elemente befindet und jede ſeiner Begabungen zur Geltung bringen kann. Vorſichtig oder ſcheu im gewöhnlichen Sinne des Wortes zeigt ſich der Lund allerdings au< dann no< niht aus dem ganz einfachen Grunde, weil es in ſeiner Heimat keinem Menſchen einfällt, ihn vom Boote aus zu befehden; aber er wird vorſichtig, ſobald er ſich verfolgt ſieht, und ſ{ließli<, wie ih zu meiner Überraſchung erfahren mußte, außerordentlih heu. Gegen ſeinesgleihen bekundet er die in ſeiner Familie übliche Geſelligkeit und Verträglichkeit. Es mag ſein, daß zwiſchen den Lunden mehr Zänkereien vortommen als zwiſchen den Lummen: ih aber habe davon nichts geſehen, ſondern immer nur bemerkt, daß auch unter jenen das beſte Einvernehmen herrſhte. Jm Falle der Not freilih weiß ſih der Lund ſeines ſcharfen Schnabels mit Erfolg zu bedienen; er aber hat auh mehr als jeder andere Bergvogel Veranlaſſung zum Beißen, da er in ſeiner Höhle dem Eindringlinge notwendigerweiſe Widerſtand leiſten muß. Alle Lunde, welche ih aus ihren Höhlen hervorzog, bedienten ſich ihres Schnabels mit vielem Geſchi> und erſtaunlihem Nachdru>ke, und jener, welchen ih etwas fern vom Meere freiließ, wies einen großen Bauernköter, der ſih unvorſichtig näherte, ſo entſchieden zurü>, daß der Hund fortan dur fein Zureden mehr zu einem erneuten Angriffe auf den kleinen Vogel zu bewegen war.

Die Nahrung beſteht in kleinen Kruſtentieren und kleinen Fiſchen; mit letzteren füttert er ſeine Jungen groß. Welchen beſonderen Dienſt ihm ſein merkwürdiger Schnabel beim Fangen ſeiner Beute leiſtet, vermag ih niht zu ſagen, zerbrehe mir au< den Kopf darüber niht, ſondern begnüge mi<h mit der Erfahrung, daß er ihn geſ<hi>t zu gebrauchen weiß. Auf den Brutbergen ſoll er zuweilen grüne Pflanzenteile freſſen, z. B. Blätter des Löffelkrautes; nah eigner Beobachtung vermag ih hierüber nihts zu ſagen.

Da der Lund überall unter den Lummen und Alken brütet und wahrſcheinlih nirgends eigne Anſiedelungen bildet, gilt alles über das Brutgeſchäft der Verwandten zu ſagende auh für ihn. Mitte April oder Anfang Maï, je nahdem der Schnee früher oder ſpäter ſ{<milzt, nähert er ſih den Bergen und ſucht nun baldmöglichſt ſeine alte Bruthöhle wieder auf oder gräbt ſih eine neue. Jn dieſer Hinſicht unterſcheidet er ſih von den Lummen und Alken; denn niemals wohl legt er ſein Ei auf freiem Boden ab. Nicht alle graben ſelbſt Niſthöhlen, weil jede Felſenriße oder dunkle Spalte, welche ſi< findet, zunächſt benußt wird, und erſt die Not ſie zu eigner Arbeit zwingt: ſo wenigſtens hat es mir erſcheinen wollen. Auf den Nyken brüteten ſehr viele Lunde unter großen Blö>ken oder Steinen ſowie in den Klüften, Spalten und Rigen der ſeitlih abfallenden Felswände; aber freilih für die Menge der Vögel gab es auf den Bergen der natürlihen Brutpläße niht genug, und deswegen war die dünne Torfſchicht, die ſie bede>te, überall durhwühlt. Die Löcher haben im Dur<hmeſſer Ähnlichkeit mit Kaninchenhöhlen, ſind aber ſelten lang, in den meiſten Fällen