Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Zwergtrappe: Verbreitung. Wanderung. Lebensweiſe. 161

ihre Frühjahrstriebe ſproſſen laſſen und die Sommerſaaten dicht werden, verfügt er ſich abwechſelnd au<h nach ſolchen Feldern, namentlich danu, wenn das junge Getreide im Juni die Höhe erreicht hat, die genügt, ihn dem Bli>ke des Menſchen oder der Raubvögel zu entziehen; jedoh ſut er, namentlih am Morgen, auch da, wo er ein Saatfeld zum Sommeraufenthalte erwählte, Klee- und Eſparſettefelder gern auf, um ein paar Stunden in ihnen zu verbringen, und kehrt erſt ſpäter in das bergende Dickfiht der wogenden Ahren zurück. Mit Beginn der Ernte, die ihn ſehr beläſtigt, wandert er von Aker zu Acker. Ft der lebte Halm gefallen, ſo zieht er ſi< meiſt in Kartoffel- und Rübenfelder zurück und ſucht dabei erklärliherweiſe, ebenſo wie die ausgedehnteſten Kleefelder, die größten Breiten auf. „Wollte ih“, ſchreibt mir Thienemann, „die Zwergtrappen in dieſer Zeit aufſuchen, um ſie etwa einem Freunde zu zeigen, ſo fuhr ih in die Gegend ihres Aufenthaltes, wählte die größten Nüben- oder Kartoffelfelder aus, ſteuerte auf ihre Mitte zu und durfte ſicher ſein, eine oder die andere Familie bald anzutreffen. Jm Spätherbſte ſchlagen ſich die einzelnen Familien in Herden von 12— 20 und mehr Stück zuſammen, ſtreichen in der Gegend umher und halten ſi<h meiſt auf Futterä>kern oder Kleefeldern auf.

„Jn Thüringen erſcheint der Zwergtrappe erſt Ende April oder Anfang Mai. Die erſten wurden gemeiniglih zwiſchen dem 22. April und 3. Mai geſehen. Nur im Fahre 1878 erſchienen ſie auffallend ſpät, nämlich erſt am 18. Mai. Auf ihren Herbſtſtreifereien mögen ſie ſih allmählih im November na<h Süden verlieren. Doch ſind einzelne noh im Winter in Deutſchland geſehen und erlegt worden.“ i

Abweichend von ſeinem größeren Verwandten nährt ſih auch der alte Zwergtrappe großenteils von Kerbtieren und Gewürm, insbeſondere von Heuſchre>en, Käfern und verſchiedenen Larven, ohne jedo<h Pflanzenſtoffe gänzlich zu verſchmähen. Die Magen derjenigen, welche i< unterſuhte, fand ih hauptſächlich mit Kerbtieren und Schnekenreſten gefüllt; die betreffenden Vögel befanden ſih jedo< auf dem Zuge und konnten mir daher nicht vollen Aufſchluß geben. Nah Thienemanns Erfahrungen iſt die Nahrung im Ganzen der unſeres Großtrappen gleih. Pflanzenſtoffe bilden den Hauptteil, auf ſie folgen Kerbtiere, die von den Blättern und Blüten ihrer Wohnpflanzen abgeleſen werden. Kleeblätter lieben ſie ſehr, doch freſſen ſie auh junge Saat und im Herbſte, zeitweiſe faſt ausſ<ließli<h, die Blätter des Löwenzahnes, die ihnen wahrſcheinlich ihrer Bitterkeit halber ebenſo zuſagen wie den gehörnten Wiederkäuern in unſeren Ställen. Zur beſſeren Verdauung verſchlingen auch ſie Kieſelſteinhen von geringer Größe. Sie gehen täglih mehrere Male auf Äſung; namentlih fann man ſicher ſein, ſie frühmorgens, bald nah Aufgang der Sonne, in voller Thätigkeit zu treffen. Zu ihren Wohngebieten wählen ſie gern große Kleefelder mit freier Ausſicht, in deren Mitte ſie ſi< niederlaſſen und nah längerer Umſchau fleißig Blätter abrupfen und Kerbtiere ſuhen. Jm Herbſte verſhlu>en ſie hier und da wohl auh ein Samenkorn, dies aber immer nur ſelten.

„Der Zwergtrappe“, fährt Thienemann fort, „iſt ein Vogel von zierlicher Geſtalt und angenehmen, gefälligen Gewohnheiten. Fnfolge ſeiner Scheu und Vorſicht hält es leider ſchwer, ihn anders zu beobachten als mit Hilfe des Fernglaſes aus einem weit entfernten Verſte>plaßze. Sieht er den Menſchen auf ſi< zukommen, ſo ſteht er anfangs unbeweglich ſtill und ſtre>t, ohne ſi< zu rühren, den Hals in die Höhe. Bei Annäherung bis auf 200 oder 800 Schritt entfernt er ſi<h und umfliegt gewöhnlih den herannahenden in einem Halbkreiſe, wahrſcheinli<h um ſi< über ihn zu vergewiſſern; denn er verſteht reht gut, den unaufmerkfſamen Fußgänger vom ſpähenden Beobachter und dieſen wiederum vom todbringenden Schüßen zu unterſcheiden. Seine großen Augen, die ihm ſcharfes Sehen ermöglichen, ſowie ſeine langgeſhlißten Naſenlöcher, die auf vortreffliche Witterung deuten, fommen ihm hierbei ſehr zu Hilfe. Läßt ſih das Pärchen irgendwo nieder ſo bleibt das

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. VT. 11