Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Triel: Lebensweiſe. Fortpflanzung. Jagd. Gefangenleben. 169

Einen alten Triel ſo zu täuſchen, daß man ſhußgere<t ihm ankommt, iſt ſ{<wer. Fn Indien oder in der Sahara bedient man ſi der Beizfalken zur Mithilfe. Eine Erfolg verſprechende Fangart iſ nicht bekannt; deshalb ſieht man den teilnahmswerten Geſellen ſelten einmal im Geſellſchaftskäfig eines Tiergartens oder im Vogelbauer eines Händlers und Liebhabers. „Mein Vater“, erzählt Naumann, „beſaß einen lebenden Triel, der in ſeiner Wohnſtube umherlief und ihm durch ſein ſanftes, zutrauliches Weſen viel Vergnügen gewährte. Sein erſter Beſißer, der ihn jung aufgezogen hatte, mochte ihn ſ{<le<t gefüttert und gepflegt haben; denn er kam in einem ganz verkümmerten Zuſtande in meines Vaters Beſitz, als ex ſchon über ein Fahr alt war, aber ſein erſtes Jugendgefieder, wie doh andere einmal mauſernde Vögel zu thun pflegen, noh nicht gewechſelt hatte. Dieſe erſte Mauſer erfolgte erſt bei uns ein halbes Fahr ſpäter, im Februar. Jm nächſten Juli, als ex 2 volle Jahre alt war, mauſerte er zum zweitenmal in ſeinem Leben und nun regelmäßig alle Jahre um dieſe Zeit. Sein tägliches Futter, Semmel in Milch gequellt, wurde manhmal mit etwas klein geſhnittenem gekochten Rindfleiſche vermiſht; zuweilen bekam ex auh einen Regenwurm oder ein Kerbtier, ein Mäuschen, ein Fröſchchen, eine Heuſchre>e. Mein Vater kehrte ſelten mit leeren Händen von ſeinen Spaziergängen zurü>, und der Vogel, dies wiſſend, kam ihm immer {nell in der Thür entgegen oder, wenn er leßteres verſäumt hatte, auf den Ruf „Di> Dik!‘ herbeigelaufen und nahm ihm das Mitgebrachte aus der Hand. Ex brachte ihm jene Geſchöpfe gewöhnlich lebend, in ein grünes Blatt eingewi>elt und mit einem Halme loſe umwunden. Ein ſoles Päkchen nahm ihm der Vogel gleich ab, legte es hin und beobachtete es genau, ob ſi< darin etwas rege; geſchah dies, ſo ſchüttelte er es ſo lange, bis das Geſchöpf frei ward und fortſprang, worauf er ihm nacſette, es erhaſchte, mit einigen S<hnabelſtößen tötete und zuleßt verſchlang. Sehr bald wurde er es inne, wenn er mit einem umwi>elten Blatte, in welchem ſih nichts befand, gefoppt wurde, und ließ es liegen, ohne es zu öffnen. Er hatte ſich zuleßt ſo an meinen Vater gewöhnt, daß er ſtets zu ſeinen Füßen ſaß, wenn er anweſend war, oder, wenn er von draußen in die Stube trat, ihm ſogleih freudig entgegentrat, auch oft in gebüdter Stellung, den Schnabel tief zur Erde gehalten, die Flügel ausgebreitet, mit dem Schwanze ein Rad ſ<hlagend, mit einem ſanſten ,Di> di> ihn begrüßte. Er hatte erſtaunlich viele lieben8swürdige Eigenſchaften, wurde aber, weil er die Stube ſehr verunreinigte, etwas läſtig und war den Frauensleuten im Hauſe ein Greuel; aber auh er war ihnen abhold und fürchtete ſih vor allen, beſonders vor ſolchen, die mit einem Beſen in der Hand eintraten, bis zum Wahnſinn. Seine kreiſchende Stimme ließ er nux abends und morgens im Zwielite einigemal hören, beläſtigte aber ſonſt niht damit. An ſeinen Freßnapf ging er auch nachts bei Lichte oder bei Mondſchein und ließ es ſich da ſo wohl ſ<hme>en wie am Tage. Ex ſonnte ſih ungemein gern, und es war ihm höchſt zuwider, wenn ihn jemand aus den Sonnenſtrahlen vertrieb; zum Zeichen ſeines Unwillens ſtieß er dann ein unangenehmes Schnarchen aus. Beleidigungen oder Aufregungen vergaß er nicht ſo leicht, zeigte überhaupt gegen die anderen Mitbewohner der Stube ein ſehr verſchiedenes Benehmen. Lieb hatte ihn im Hauſe eigentli<h kein Menſch weiter als mein Vater, und die Figur des Vogels, beſonders der di>e Kopf und die Gloßaugen, mißfielen jedermann.“