Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

192 Neunte Ordnung: Sturmvögel; einzige Familie: Sturmvögel,

Anfang Mai, zuweilen ſhon um Mitte April, wird das eine große, rundliche, rein weiße Et gelegt, entweder auf die na>ten Abſäße der Felſen oder in eine kleine Erdgrube oben auf den Felſeninſelhen. So wie der Zeugungstrieb die meiſten in den Felſen brütenden Vögel ſo kirre macht, daß man ſie mit einiger Behendigkeit vom Neſte nehmen kann, ſo wird auch dieſer ſo zahm, daß ich einen erſt lange mit Erdklößen warf, um ihn vom Eie zu jagen, ohne daß es mir mögli<h war. Nicht eher als in den erſten Tagen des Juli krie<ht das Junge aus dem Eie; gegen Ende dieſes Monates iſt es halb erwa<hſen und mit langem, graublauem Flaum bede>t. Schon dann ſpeit es ebenſogut wie die Alten ſeine thranige Flüſſigkeit zuweilen über zwei Drittel Meter weit gegen den aus, der es nehmen will, indem es dieſen Schleim mit Bewegungen, als wolle es ſi<h erbrechen, aus dem unteren Teile des Schlundes hervorwürgt. Dieſer Vorrat wird nicht jo leicht erſchöpft. Ende Auguſt ſind die Jungen flügge und außerordentlih fett, riehen aber ſehr übel. Die Einwohner von Weſtmanöer ziehen dann auf den Felſeninſelhen umher, töten ſie zu Tauſenden und ſalzen ſie zum Wintervorrate ein. Um Mitte September verlaſſen Alte und Junge die Brutpläße und ziehen auf das offene Meer hinaus, wo ſie den Winter zubringen, ſo daß auf Fsland zu dieſer Zeit keiner mehr geſehen wird.“

Außer dem Menſchen ſtellen der Jagdfalke und Seeadler den Alten und Jungen und die großen Raubmöwen namentlich den leßteren nah, weil ſie wohl wiſſen, daß ihnen die Alten außer dem Anſpeien mit jener thranigen Flüſſigkeit keinen Widerſtand entgegenſeßen können.

Ein allen Schiffern wohlbekannter Sturmvogel, die Kaptaube (Procellaria capenSis, naevia und punctata, Daption capensis), unterſcheidet ſih durch ſeinen ſehr fräftigen Bau, den kurzen, an der Wurzel breiten, an der Spiße zuſammengedrücten und auffallend ſchwachen Schnabel und die großzehigen, mit breiten Shwimmhäuten ausgerüſteten Füße von den beſchriebenen Verwandten. Oberkopf und Hinterhals, Kopf: und Halsſeiten ſind dunkel eiſengrau, Mantel, obere Flügel- und Shwanzde>fſedern weiß, dur große, unregelmäßig dreie>ige, eiſengraue Spigenfle>en gezeichnet, eine Stelle unter dem Auge ſowie die Unterteile weiß, Kehle und Vorderhals dicht, die Seiten ſpärlih dunkler gefle>t, die ſ<warzſchaftigen Handſhwingen rußſchwarz, innen wie die Armſchwingen größtenteils, die Schwanzfedern bis auf ein ſ{warzes Endband weiß. Das Auge iſt dunkel kaſtanienbraun, der Shnabel ſ<hwarz, der Fuß braunſchwarz. Die Länge beträgt 38, die Breite 110, die Fittichlänge 27, die Schwanzlänge 9 cm.

Die Kaptaube iſt unter allen Seevögeln der treueſte Begleiter der Schiffe. Fhre Verbreitung iſt merkwürdig. Jm Atlantiſchen Weltmeere lebt ſie jenſeits des Wendekreiſes des Steinbo>es, und- es iſt ein höchſt ſeltener Zufall, wenn ſie ſih einmal innerhalb des heißen Gürtels oder gar bis auf die nördliche Halbkugel, etwa bis an die Weſtküſte Europas, verirrt; in der Südſee dagegen trifft man ſie, wenigſtens in dem Teile, der Amerikas Weſtfüſte beſpült, bis nördlih vom Gleicher: „Jh habe“, ſagt Tſ<hudi, „die Beobachtung gemacht, daß ſie in jenem heißen Gürtel nie ſo anhaltend ſi< in der Nähe der Schiffe aufhalten wie in dem falten Klima der höheren Breiten. Wenn ſie hier Tag und Nacht die Schiffe umſhwärmen, ſo verſhwinden ſie dort während der Nacht und ſtellen ſi< nur eine Stunde vor oder nah Sonnenaufgang und in den ſpäten Nachmittagsſtunden ein. Ob dies feſte Regel iſt, vermag ih niht zu entſcheiden; bei meinen Reiſen war es wenigſtens immer ſo. Nie bemerkte ih auf einer Reede, in einer Bai oder in einem Hafen der Südſee die Kaptaube, während doch ſo viele Vögel der Bai auch die windgeſhüßten Ankerpläße der Schiffe beſuchen; aber kaum wenige Seemeilen vom Lande eilt ſie als erſter Vorläufer ihrer Gattungsverwandten den Fahrzeugen entgegen.“