Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

204 Zehnte Ordnung: Stoßvögel,

beweiſen am ſ{<lagendſten die Edelfalken, die vorzüglichſten Räuber unter allen Fangvögeln, die ſih zum Dienſte des Menſchen heranbilden laſſen.

Eine die Vögel in8gemein auszeihnende Begabung fehlt den Fangvögeln: ſie ermangeln einer wohltönenden Stimme, Viele ſind nur im ſtande, einen, zwei oder drei verſchiedene einfache, ſelbſt mißtönende Laute hervorzuſtoßen. Doch ſind wenigſtens nicht alle Fangvögel jedes Wohllautes unfähig; denn einige laſſen Töne vernehmen, die auch einem tonkünſtleriſh gebildeten Dhre als anſprechend erſcheinen müſſen.

Die Fangvögel bewohnen die ganze Erde und jeden Breiten- und Höhengürtel. Der Mehrzahl na< BVaumvögel und daher vorzugsweiſe dem Walde angehörend, meiden ſie doh weder das baumloſe Gebirge noh die öde Steppe oder Wüſte. Man begegnet ihnen auf den kleinſten Eilanden im Weltmeere oder auf den höchſten Gipfeln der Gebirge, ſieht ſie über die Eisfelder, die Grönland oder Spigzbergen umlagern, wie über die ſonnendur<hglühten Ebenen der Wüſte dahinſhweben, bemerkt ſie im Schlingpflanzendickichte des Urwaldes wie auf den Kirchen großer Städte. Der Verbreitungskreis der einzelnen Art pflegt ausgedehnt zu ſein, entſpricht jedo<h keineswegs immer ihrer Bewegungsfähigkeit, kann im Verhältnis zu dieſer ſogar eng erſcheinen. Einzelne Arten freilih kennen kaum Beſchränkung und ſchweifen faſt auf der ganzen Erde umher.

Viele Fangvögel wandern, wenn der Winter ihr Jagdgebiet verarmen läßt, dem kleinen Geflügel in ſüdlichere Gegenden nach; gerade die im höchſten Norden wohnenden Arten aber ſtreichen nur. Auf fol<hen Wanderungen bilden ſie zuweilen Shwärme, wie ſie ſonſt nicht beobachtet werden, denn die wenigſten ſind als geſellige Tiere zu bezeihnen. Jene Geſellſchaften löſen ſih {hon gegen den Frühling hin in kleinere und \<ließli<h in die Paare auf, aus welchen ſie im Herbſte ſich bildeten, oder die während des Zuſammenſeins in der Fremde ſih fanden. Dieſe Paare kehren ziemlih genau zu derſelben Zeit in die Heimat zurü> und ſchreiten hier baldmöglichſt zur Fortpflanzung.

Alle Fangvögel brüten in den erſten Frühlingsmonaten und, wenn ſie niht geſtört wurden, nur einmal im Jahre. Der Horſt kann ſehr verſchieden angelegt und dem entſprechend verſchieden ausgeführt ſein. Weitaus in den meiſten Fällen ſteht er auf Bäumen, häufig au< auf Felsvorſprüngen, an unerſteiglihen Wänden oder in Mauerlöchern alter Gebäude; ſeltener iſt eine Baumhöhlung die Niſtkammer, am ſeltenſten der na>te Boden die Unterlage eines Reiſighaufens, auf dem die Eier zu liegen kommen. Alle Horſte, welche auf Bäumen oder Felſen ſtehen, find große und breite, jedo<h niedrige Neſter mit flacher Mulde, werden aber meiſt mehrere Fahre nacheinander benußt, jedesmal neu aufgebeſſert und dadur<h allmählich ſehr erhöht. Beide Geſchlechter helfen beim Aufbaue; das Männchen trägt wenigſtens zu. Für die großen Arten iſt es ſ<hwer, die nötigen Stoffe, namentlih die ſtarken Knüppel, zu erwerben: die Adler müſſen ſie ſih, wie Tſchudi vom Steinadler angibt, von den Bäumen nehmen, indem ſie ſich mit eingezogenen Fittichen aus hoher Luft hinabſtürzen, den auserſehenen A mit ihren Fängen pa>en und dur< die Wucht des

toßes abbrechen. Jn den Klauen tragen ſie die mühſam erworbenen Äſte und Zweige dann nach dem Horſte. Diejenigen Fangvögel, welche in Höhlen brüten, legen die Eier auf den Mulm der Baumlöcher, einzelne auh wohl auf die Erde oder auf das na>te Geſtein. Wahrſcheinlih darf man ſagen, daß nur die wenigſten Arten ſi< ſelbſt eigne Horſte errichten. Die kleineren Falken benußen mit entſchiedener Vorliebe die Neſter anderer Vögel, namenili<h der Raben in weiterem Sinne, anderer Fangvögel, vielleiht auc der Reiher, Schwarzſtörche und ebenſo eine Baumhöhlung, bauen alſo die Neſter, wenn überhaupt, höchſtens notdürftig aus. Bei uns zu Lande iſt nah E. von Homeyers langjährigen Beobachtungen der uxſprünglihe Baumeiſter für die größeren Arten der Buſſard, für die kleineren Arten die Nebel- oder Raben -, ſeltener die Saatkrähe oder Elſter. Manche Fangvögel,