Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Edelfalken: Allgemeines. 207

Die Einteilung der Falkenvögel (F alconidae), auf wel<he im allgemeinen das über die Sippſchaft Geſagte gilt, ſtößt auf Schwierigkeiten. Wir werden uns an Reichenows Einteilung anlehnen.

Die Falken (Palconinae), welche die höchſtſtehende Unterfamilie der Falkenvögel bilden, kennzeihnen ih durc einen deutlihen Zahn am Oberkiefer, eine ihm entſprechende Auskerbung am Unterkiefer, mäßig lange Läufe und lange und ſpibe, faſt bis ans Ende des langen Shwanzes reihende Flügel. Jn leßteren ſind die zweite oder zweite und dritte Schwinge die längſten; die erſte iſt gleich der dritten oder vierten. Zwei Gattungen mit zuſammen einigen 60 Arten bilden die Unterfamilie, deren Verbreitungsgebiet die ganze Erde umfaßt. Die Falken leben nur von ſelbſterbeuteten Tieren und übertreffen dur die Gefälligkeit und Schnelligkeit ihres Fluges alle anderen Fangvögel. Der Sloß auf ihre Beute iſt ſo reißend, daß die ungeſtümſten unter ihnen nur auf fliegende Vögel oder Kerbtiere jagen. Sie horſten auf hohragenden Baumwipfeln, auf Felſen oder Türmen; ihre Eier unterſcheiden ſich dur<h roſtbraune Grundfarbe und dunklere Fle>enzei<hnung von denjenigen anderer Fangvögel. .

Unter allen Fangvögeln gebührt meiner Anſicht na< den dur< runde Naſenlöcher gekennzeichneten Edelfalken (F alco) die erſte Stellung. Sie ſind unter den Vögeln dasſelbe, was die Kaßen unter den Raubtieren: die vollendetſten aller Fangvögel überhaupt. „Ihre geiſtigen Eigenſchaften“, ſo habe ih früher von ihnen geſagt, „gehen mit ihren leiblichen Begabungen Hand in Hand. Sie ſind Räuber der {hlimmſten Art; aber man verzeiht ihnen das Unheil, das ſie anrichten, weil ihr ganzes Leben und Wirken zur Bewunderung hinreißt. Stärke und Gewandtheit, Mut und Jagdluſt, edler Anſtand, ja faſt möchte inan ſagen, Adel der Geſinnung, ſind Eigenſchaften, die niemals verkannt werden können.“

Alle Erdteile und alle Gegenden beherbergen Edelfalken. Sie finden ſi< von der Küſte des Meeres an bis zu den Spißen der Hochgebirge hinauf, vorzugweiſe in Waldungen, faum minder häufig aber auf Felſen und alten Gebäuden, an menſchenleeren Orten wie in volfsbelebten Städten. Jede Art verbreitet ſi< über einen großen Teil der Erde und wird in anderen dur ſehr ähnliche erſeßt; außerdem wandert oder ſtreicht jede Art weit umher. Viele Arten ſind Zugvögel, andere wandern nur, und einzelne endlih zählen zu den Strichvögeln.

Sämtliche Edelfalken ſind äußerſt bewegungsfähige Tiere. Jhr Flug iſt ſehr ausgezeichnet, weil ungemein ſchnell, anhaltend und im hohen Grade gewandt. Der Falke durhmißt weite Stre>en mit unglaublicher Naſchheit und ſtürzt fih beim Angriffe zuweilen aus bedeutenden Höhen mit ſolcher Schnelligkeit zum Boden hinab, daß das Auge nicht fähig iſt, ſeine Geſtalt aufzufaſſen. Bei den wahren Edelfalken beſteht der Flug aus ſ<hnell aufeinander folgenden Flügelſchlägen, die nur ſelten durch kurze Zeit währendes gleitendes Schweben unterbrohen werden; bei anderen iſt er langſam und mehr ſ{webend; auh erhalten ſich dieſe dur< längere zitternde Bewegung oder „Rütteln“, wie der Vogelkundige zu ſagen pflegt, längere Zeit auf einer Stelle in der Luft, was jene nicht zu thun pflegen. Auf dem Zuge und während der Zeit der Liebe ſteigen die Edelfalken zu unermeßlichen Höhen empor und ſhweben dann lange in prächtigen Kreiſen hin und her, führen zu eigner Beluſtigung und Erheiterung des Weibchens förmliche Flugreigen auf. Sonſt halten ſie gewöhnlich eine Höhe von 60—120 m über dem Boden ein. Jm Sigßen nehmen ſie, weil die Kürze ihrer Füße dies bedingt, eine ſehr aufrechte Stellung an, im Gehen tragen ſie den Leib wagerecht; ſie ſind aber höchſt ungeſchi>t auf dem Boden und hüpfen mit abwechſelnder