Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

208 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

Fußbewegung in ſonderbar unbehilfliher Weiſe dahin, müſſen auh gewöhnlich die Flügel mit zu Hilfe nehmen, um fortzukommen.

Wirbeltiere und zwar vorzugsweiſe Vögel, aber au<h Kerbtiere bilden die Nahrung der Edelfalken. Sie fangen ihre Beute faſt regelmäßig im Fluge und ſind nicht im ſtande, einen auf den Boden ſißenden Vogel wegzunehmen. Kein einziger Edelfalke nährt ſich in der Freiheit von Aas; jeder genießt vielmehr nur ſelbſt erworbene Beute: in der Gefangenſchaft freilih zwingt ihn der Hunger, auch tote Tiere anzugehen. Die gefangene Beute wird ſelten an dem Orte verzehrt, der ſie lieferte, ſondern gewöhnlih einem anderen paſſenden, der freie Umſchau oder eine durchſichtige De>ung gewährt, zugetragen, hier erſt gerupft, auch teilweiſe enthäutet und dann aufgefreſſen.

Die Morgen- und die Abendſtunden bilden die Jagdzeit der Edelfalken. Während des Mittags ſiven ſie gewöhnlih mit gefülltem Kropfe an einer erhabenen und ruhigen Stelle regungslos und ſtill, mit geſträubtem Gefieder, einem Halbſ{<hlummer hingegeben, um zu verdauen. Sie ſchlafen ziemli<h lange, gehen aber erſt ſpät zur Ruhe; einzelne ſieht man noh in der Dämmerung jagen.

Geſelligkeit iſt den Edelfalken zwar niht fremd, aber doh durchaus kein Bedürfnis. Während des Sommers leben die meiſten paarweiſe in dem einmal erwählten Gebiete und dulden hier kein anderes Paar der gleichen Art, niht einmal einen anderen Raubvogel. Während ihrer Reiſe ſcharen ſie ſih mit anderen derſelben Art und mit Verwandten zuſammen, und einzelne Arten bilden dann ziemli<h bedeutende Shwärme, die, wie es ſcheint, | wochen- und monatelang zuſammenhalten. Gegen Adler und Eulen zeigen aber auch dieſe Scharen denſelben Haß, den die einzelnen in ihrer Heimat an den Tag legten. Keiner dieſer oftmals viel ſtärkeren Raubgetellen bleibt unangefochten.

Der Horſt der Edelfalken wird verſchieden angelegt, am liebſten in paſſenden Höhlungen ſteiler Felswände, auf hohen Gebäuden und auf dem Wipfel der höchſten Waldbäume; doh horſten einzelne Arten da, wo es an Bäumen und Felſen mangelt, auh auf der bloßen Erde oder erwählen ſich eine geräumige Baumhöhlung zu demſelben Zwe>e. Sehr gern nehmen ſie auch die Neſter anderer großer Vögel, namentlich der verſchiedenen Raben, in Beſitz. Beſondere Mühe geben ſie ſih mit dem Neſtbaue niht. Der ſelbſt zuſammengetragene Horſt iſt regelmäßig fla<h und an der Stelle der Neſtmulde nur ein wenig mit feineren Würzelchen ausgeflleidet. Das Gelege beſteht aus 3—7 Eiern von ſehr übereinſtimmendem Gepräge. Sie ſind rundlih, mehr oder minder rauhſchalig und in der Regel auf blaß rötlihbraunem Grunde dicht mit dunkleren feinen Punkten und größeren Fle>en derſelben Farbe gezeichnet. Das Weibchen brütet allein und wird, ſolange es auf den Eiern ſitt, vom Männchen ernährt, das auch für die Unterhaltung der beſchäftigten Gattin Sorge trägt, indem es angeſichts ihrer ſeine Flugkünſte übt. Die Jungen werden von beiden Eltern aufgefüttert, mit großer Liebe behandelt und gegen Feinde, bis zu gewiſſem Grade auch gegen den Menſchen, mutvoll verteidigt und nah dem Ausfliegen ſorgfältig unterrichtet.

Leider gehören die ſtärkeren Edelfalken zu den ſhädlihen Vögeln und können bei uns zu Lande deshalb nicht geduldet werden; niht einmal alle fleineren Arten ſind nüßliche Tiere, die Schonung verdienen. Außer den Menſchen haben ſie wenige Feinde, die {<wächeren Arten, wenn ſie erwachſen ſind, ſolhe wohl nur in den größeren Verwandten. Den Eiern und den Jungen mögen Életternde Raubſäugetiere zuweilen verderblih werden; do< iſt dies nur eine Vermutung, niht dur< Erfahrung beſtätigte Thatſache.

Dagegen ſind die Edelfalken ſeit alters8grauer Zeit von den Menſchen benußbt worden und werden es in mehreren Ländern Aſiens und Afrikas no<h heutigestags. Sie ſind die „Falken“ unſerer Dichter, diejenigen, welche zur Beize abgerihtet werden. Lenz hat alles

hierauf Bezügliche ſo überſichtlih und gedrungen zuſammengeſtellt, daß ih nihts Beſſeres