Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

212 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

verſtußt ſind, und deren Schnabel in einem Futterale ſte>t; auh läßt man ihn anfang®z womögli<h in Geſellſchaft eines guten alten Falken daran. Den zu dieſer Übung beſtimmten Neihern und Kranichen legt man, damit ſie niht ſo leiht erwürgt werden, ein Futteral von weichem Leder um den Hals. Dem Reiher ſuchen die Falken raſ<h emporſteigend die Höhe abzugewinnen, um von oben auf ihn zu ſtoßen; der Reiher hingegen ſucht ſeinerſeits au< immer- höher zu ſteigen und ſtre>t mit erſtaunlicher Schnelligkeit den ſtoßenden Feinden die ſcharfe Spiße ſeines Schnabels entgegen, um ſie zu ſpießen. Endlich wird er gepa>t und ſtürzt mit ihnen aus der Höhe herab. Die herbeieilenden Jäger löſen ſ<nell die Falken, reichen ihnen zur Belohnung guten Fraß und berauben den Neiher ſeiner ſchönſten Federn. Es wird ihm dann ein metallener Ring um den Fuß gelegt, auf welchem die Jahreszahl und der Ort des Fanges eingegraben iſt, und darauf die Freiheit geſchenkt. Einzelne Reiher ſind öfters, manhmal nah langen Fahren wieder gebeizt und ſo mit mehreren Ringen geziert worden. Soll ein Falke gut auf Haſen ſtoßen, wozu man ſich hauptſähhlih des Habichts bedient, ſo ſtopft man einen Haſenbalg gut aus, läßt den Falken mehrmals darauf ſeine Mahlzeit verzehren, bindet dann Fleiſch daran und läßt den ausgeſtopften, auf Nädern ſtehenden Haſen von einem Manne erſt langſam, dann \<nell auf einem Boden hinziehen, ſpannt auh endlih gar ein flinkes Pferd davor, jagt mit dem Haſen fort und läßt den Falken hinterdrein. Zur Falkenjagd gehört eine ebene, waldloſe Gegend.“

Am großartigſten iſt von jeher die Falkenjagd in Mittelaſien getrieben worden. „JFm März“, ſagt Marco Polo ums Jahr 1290, „pflegt Kublai Chan Kambalu zu verlaſſen; er nimmt dann eine Zahl von etwa 10,000 Falknern und Vogelſtellern mit ſi<h. Dieſe werden in Abteilungen von 200—300 Mann im Lande verteilt, und was von ihnen erlegt wird, muß dem Chan abgeliefert werden. Für ſeine Perſon hat der Chan noch beſonders 10,000 Mann, deren jeder eine Pfeife trägt. Sie bilden, wenn ex jagt, einen weiten Kreis um ihn her, indem ſie entfernt voneinander aufgeſtellt ſind, aten auf die Falken, die der Chan fliegen läßt, fangen ſie wieder ein und bringen ſie zurü>. Jeder Falke, welcher dem Chan oder einem Großen des Reiches gehört, hat an ſeinem Beine ein ſilbernes Täfelchen, auf welhem der Name des Eigentümers und des Falkners eingegraben iſt. Es iſt auh ein eigner Beamter da, bei welchem diejenigen Vögel abgeliefert werden, deren Eigentümer nicht ſogleich ermittelt werden kann. Der Chan reitet während der Jagd auf einem Elefanten und hat ſtets 12 der beſten Falken bei ſih. Zu feiner Seite reitet eine Menge Leute, die ſi<h immer nah Vögeln umſehen und dem Chan gleich Anzeige machen, wenn ſich ein jagdbarer zeigt. Jm ganzen Umfange des Reiches wird das Haar- und Federwild jahraus jahrein ſorgfältig gehegt, damit immer Überfluß für die Jagden des Chans vorhanden iſt.“ Tavernier, der ſich viele Fahre in Perſien aufgehalten, erzählt (im Jahre 1681) wie folgt: „Der König von Perſien hält ſih über 800 Falken, wovon die einen auf wilde Schweine, wilde Eſel, Antilopen, Füchſe, die anderen auf Kraniche, Reiher, Gänſe, Feldhühner abgetragen ſind. Bei der Abrichtung -auf vierfüßige Tiere nimmt man ein ausgeſtopftes, legt Fleiſch in die Augenhöhlen und läßt den Vogel auf ſeinem Kopfe freſſen. Zſt er dies gewohnt, ſo ſeßt man das auf vier Rädern ſtehende Tier in Bewegung und läßt dabei den Vogel auf dem Kopfe freſſen. Endlich ſpannt man ein Pferd vor und jagt, ſo ſ<nell man kann, während der Falke frißt. Auf ähnliche Weiſe richten ſie ſogar Kolkraben ab.“ Chardin, der einige Zeit na< Tavernier ſih ebenfalls lange in Perſien aufgehalten, fügt hinzu, „daß man dem Falken, wenn er ſtarke vierſüßige Tiere angreiſt und ſi<h auf ihren Kopf ſeßt, mit Hunden zu Hilfe eilt, und daß man ſogar im Anfange des 7. Fahrhunderts häufig Falken abgerichtet hat, Menſchen anzufallen und ihnen die Augen auszuha>en“. Daß man auch in neuerer Zeit