Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

216 Zehnte Dvrdnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

Grundfärbung der Rückenſeite graubraun oder dunkelgrau, und die Zeichnung beſteht aus deutlih hervortretenden Längs- oder Querfle>en. Der Scheitel kann lichter oder dunkler ſein und durch die ſchwarzen Schäfte ſeiner Federn beſonders kräftig gezeichnet erſcheinen, Flügel und Shwanz ſind ſtets ſtark gebändert!“

Jn ähnlichem Sinne ſpricht ſi<h E. von Homeyer aus. „Was die drei gewöhnli< angenommenen Arten der nordiſchen Jagdfalken anlangt“, ſchreibt er mir, „ſo vermag ich, nach ſorgfältiger Unterſuchung einer großen Anzahl, ſie nicht zu unterſcheiden, niht einmal die jungen Gerfalfken von jungen Jagdfalken zu trennen. Die mehr oder weniger weiße Färbung des Jagd- und Polarfalken beruht, meiner Anſicht nach, auf Verſchiedenheit des Alters und der Örtlichkeit, vielleiht auch des betreffenden Vogels ſelbſt, die Längsfle>ung und Querbähnderung offenbar auf dem verſchiedenen Alter allein. Die Eier aller drei \ogenannten Arten ſind ſicherlich niht zu unterſcheiden. Auch ih glaube daher, daß man nur eine einzige Art Fagdfalken annehmen darf.“

Ungeatet der vorſtehenden, jedenfalls höchſt gewichtigen Ausführungen, will ih den am meiſten abweichenden, auf dem europäiſchen Feſtlande hauſenden Jagdfalken beſonders beſchreiben und weiter unten bis zu einem gewiſſen Grade geſondert behandeln.

Der Gerfalke, Gierfalfke oder Geierfalfe (Falco rusticulus, gyrfalco, gyrofalco und norvegicus, Accipiter und Hierofalco gyrfalco) iſt um es mit zwei Worten auszudrü>en, ein Wanderfalke im großen. Seine Oberſeite iſt dunkel graublau, auf dem Nücken und Mantel ſhwarz, auf dem licht graublauen Schwanze dunkler gebändert auf den Shwingen braunſchwarz, die gräuliche oder gelblichweiße Unterſeite mit dunkeln Längsfle>en gezeichnet, die ſih auf den Seiten und auf den Hoſen in Querfle>en verwandeln. Beim jungen Vogel iſt Dunkelbraun auf der Oberſeite die herrſhende Färbung, die Unterſeite dagegen auf lihtem, graugelblihem Grunde mit dunkeln Längsfle>en gezeichnet. Neſtvögel des Gerfalken ſind von glei<h alten Wanderfalken kaum zu unterſcheiden. Über die Bedeutung des Namens belehrt uns Gesner: „Wirt ein Gerfalk genennt, daß er viel mal rund umb den Raub herumb fleugt: und was klein iſt verſhmehet er und ſtoſſet allein die groſſen Vögel als Kränh<h, Schwanen und dergleichen.“

Die Größenverhältniſſe aller Jagdfalken ſind faſt genau dieſelben; der Gerfalke ſcheint der kleinſte zu ſein. Nach eignen Meſſungen beträgt die Länge des Weibchens 60, die Breite 126, die Fittihlänge 40, die Shwanzlänge 24 em.

Das Verbreitungsgebiet des Gerfalken beſhränkt ſih, ſoweit bis jezt bekannt, auf den Norden Skandinaviens, das nördliche Rußland und, falls von Middendorf re<ht beobachtet hat, das öſtliche Sibirien. Palméns Angabe, daß er au< auf Spitbergen vorkomme, iſt zweifelhaft. Nach meinen Erfahrungen iſt er der einzige Jagdfalke, der in Lavpland brütet. Ein junger, in Weſtſibirien erlegter Vogel, den ih in einer Sammlung in Tjumen am öſtlihen Ural ſah, war nicht der Gerfalke, ſondern der Jagdfalke.

Noch heutigestags ſind wir über das Freileben der Jagdfalken niht genügend unterrihtet und noh weniger im ſtande zu ſagen, ob überhaupt und inwiefern die verſchiedenen Arten hierin ſi<h voneinander unterſcheiden. Es wird deshalb notwendig ſein, das über alle Bekannte in gedrängter Kürze zuſammenzuſtellen, um ein Bild ihres Lebens zu gewinnen.

Die Fagdfalken bewohnen in den nördlichen Ländern vorzugsweiſe ſteile Seeküſten, auf deren Felswänden ſie ſih anſiedeln, ohne jedo<h den Wald gänzlih zu meiden. Doch kann man ſie niht in dem Grade wie andere Falken als Waldvögel bezeihnen. Am liebſten ſiedeln. ſie ſih in der Nähe der Vogelberge an, da, wo während des Sommers Millionen von Seevögeln ſih vereinigen, um zu brüten. Hier habe ih den Gerfalken niemals vermißt