Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Gerfalke. Jagdfalken: Verbreitung. LebenS8weiſe. DIT

Die jungen Vögel, d. h. alle diejenigen, wel<he no< niht gepaart und fortpflanzungs: fähig ſind, ſtreifen oft, unter Umſtänden weit im Jnneren des Landes umher und fommen nicht ſelten auh in den nordiſchen Alpen vor, wogegen alte Vögel im Gebirge ſelten gefunden werden. Junge FJagdfalken ſind es daher auch, die zuweilen die Grenzen ihres eigentlihen Verbreitungsgebietes weit überſchreiten und unter ſolhen Umſtänden im nördlihen Skandinavien, auf den Faröer, in Großbritannien, Dänemark und Deutſchland bemerkt werden, ebenſo wie ſie vom Norden Rußlands aus nach den ſüdlicheren Teilen des Landes und von Nowaja Semlja aus den Ob entlang bis zum ſüdlichen Ural ſtreichen, wenigſtens noh in der Gegend von Tjumen vorkommen. Ob die von Middendorf und Radde in Oſtſibirien beobachteten Jagdfalken wirklich Gerfalken waren, will ih dahingeſtellt ſein laſſen; glaublicher erſcheint es mir, daß der hochnordiſche Jagdfalk außer Nowaja Semlja auh noh andere Eilande oder Küſtenteile Nordaſiens bewohnt und von hier aus im Winter ſüdlicher ſtreicht oder wandert, ebenſo wie er auh im höchſten Norden Amerikas, von der Baffinbai bis zur Beringſtraße, Brutvogel ſein dürfte. Doch verſichert man, den Gerfalken au< aus dem weſtlichen britiſchen Nordamerika erhalten zu haben, und ſomit wäre es möglich, daß ſich ſein Verbreitung8gebiet vom Norden Skandinaviens aus längs der Seefüſten bis Amerika erſtre>en könnte, was dann wiederum darauf hinweiſen dürfte, daß auch er als ſüdlihe Abart des Jagdfalken angeſehen werden muß.

Bemerken will ih noch, daß, nah meinen Erfahrungen, Collett in ſeinen „Bemerfungen über die Vögel Norwegens“ Ger- und Wanderfalken inſofern verwechſelt, als er von dem einen ſagt, was für den anderen Geltung hakt.

Jedes Paar hält an dem einmal gewählten Wohnſiße mit zäher Beharrlichkeit feſt und wird, wenn es vertrieben wurde, ſehr bald durch ein anderes erſet. Gewiſſe Felswände in Lavpland beherbergen Gerfalken ſeit Menſchengedenken. Fn ihrem Betragen und Weſen haben die Jagdfalken mit dem Wanderfalken die größte Ähnlichkeit. Man kann höchſtens ſagen, daß ihr Flug nicht ſo ſ{hnell und ihre Stimme tiefer iſt als bei dieſem. Jh wenigſtens habe an denen, die i< im Freileben und in der Gefangenſchaft beobachtete, einen anderen Unterſchied niht wahrnehmen können.

Seevögel im Sommer und Schneehühner im Winter bilden ihre Nahrung; außerdem ſollen ſie Haſen anfallen und nah Raddes Verſicherung monatelang von Eichhörnchen leben. Sie ſind furchtbare Feinde des von ihnen bedrohten Geflügels und der Schre>en aller Bewohner der Vogelberge. Auf den Nyken, zwei Vogelbergen im nordweſtlichen Lappland, ſah ih während meines dreitägigen Aufenthaltes regelmäßig um 10 Uhr vormittags und gegen 4 Uhr nachmittags die beiden Gatten eines Gerfalkenpaares erſcheinen, um Beute zu gewinnen. Jhre Jagd war ſtets überraſchend kurz. Sie kamen an, umkreiſten den Vogelberg einoder zweimal und ſtießen dann unter einen Shwarm der Lummen, Alken oder Lunde, griffen regelmäßig einen dieſer Vögel und trugen ihn davon. Jh habe ſie nie fehlſtoßen ſehen. Holböll verſichert, ſelbſt beobachtet zu haben, wie ein Polarfalke zwei junge dreizehige Möwen auf einmal in ſeine Fänge nahm, eine in jeden, und auf gleihe Weiſe zwei Meerſtrandläufer erbeutete, und Faber fand einen von ihm beſtiegenen Horſt reihlih mit Lummen, Alken und Lunden und dreizehigen Möwen verſehen. Außer Seevögeln werden Die brütenden Jagdfalken auch den Moraſthühnern und Tauben gefährlich; doch ſagt Holböll daß ex nur zwei junge Tauben verloren habe, die der Falke im Sißen nahm, weil die alten, die ſehr oft von dem Näuber gejagt wurden, von ihm niht eingeholt werden konnten. Nach der Brutzeit kommen die Jagdfalken oft den menſchlihen Wohnungen nahe, zeigen überhaupt wenig Scheu und laſſen ſi ſogar herbeilo>en, wenn man ein Schneehuhn oder einen anderen Vogel wiederholt aufwirft. Jm Winter verlaſſen ſie die Seeküſten und folgen dem Gange des Shneehuhnes auf den Bergen. Dieſes fürchtet den Jagdfalken, ſeinen furhtbarſten