Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

220 Zehnte Drdnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

Jagdfalken 20 Fahre lang benußt werden konnten; die Geſchichte unſerer Tiergärten hat Ahnliches nicht aufzuweiſen. Man iſt froh, wenn man einen der prächtigen Vögel bis zum Anlegen ſeines Alterskleides bringt. Freilich iſt man hier kaum im ſtande, allen Edelfalken eine ſo ausgezeihnete Pflege angedeihen zu laſſen, wie ſie ſolche nah älteren Schriftſtellern ſeitens der Falkner erhalten haben. Die Kunſt der leßteren beſtand nicht allein darin, die Falken regelrecht abzutragen, ſondern auch, ſie entſprechend zu füttern und etwaige Krankheiten zu heilen oder zu verhüten. „Ein erfahrener Fal>onierer“, ſagt Gesner, „wirt gute auffmer>ung haben, daß er zu rechter Zeit und in re<ter maß den Vogel ſpeiſe, wie er ſih dann von Natur pflegt zu ſpeiſen, da er no<h niht abgericht, ſondern frey war und fürnemli<h mit gutem, leichtem geringen fleiſ<h, das no< warm ſey und von dem leblichen Geiſt rieche und dämpfſe. Er ſol auch in rechter mittelmaß gehalten werden, daß er nicht zu feiſt und niht zu mager werde: denn von zu viel mägere wird er blöd und kran> und verleuret ſeine künheit, alſo, daß er ganz kleinmütig wirdt: er ſhreyet auh ohn underlaß: und ſo man ihn auffwirfſft, ſezet er ſih auff die Erden bey dem Fal>onierer und ſchreyet. So er aber zu feiſt, wirt er davon unluſtig, faul und träg: darumb er gant in der mittelmaß erhalten werden ſol, alſo, daß er niht krän>er und ſ<hwächer werde, doh niht auß zu viel außleerung hefftigen hunger habe, ſondern allein auß natürlicher begierd einen Luſt zu der Speiß habe. Solches aber geſchiht am beſten, ſo man ihn niht zum andernmal ſpeiſet, er habe dann die erſte oder vor eingenommen Speiß verdäwet. Weiter der complexion halben ſolcher Vögeln, ſolt du gar fleiſſig warnemen nah mancherley Geſchlecht oder Art der Vögeln. Dann die fo von farben ſ{hwarß ſind, die ahten wir melancholiſher complexion, demſelbigen ſolt du mehrertheils Speiß geben, die warmer und feuchter complexion ſind, als Hühner, Tauben und junger Giglin fleiſh. Die weißgeferbten aber ſind phlegmatiſcher complexion, kalt und mit ſchädlicher feuchte erfüllet, denen ſolt du geben tro>ne und warme Speiß, als fleiſ<h von Böcken, Hunden, Mauleſeln, Ateln, Hirgen, Spaten und dergleichen. Die ſo rote federn haben, die haben viel erhißigtes geblüts, denen ſolt du geben, was kalt und feucht iſt, darvon ſolche hit gekült werde, als Hennenfleiſ<h, Waſſervögel und etwan Krebs.“ Fn jedem Falle geht aus vorſtehender Beſchreibung hervor, daß man ſich die Erhaltung der Falken nach beſten Kräften angelegen ſein ließ und keine Ausgabe ſcheute, um thnen ſo friſche und gute Nahrung zu liefern, wie erfahrungsmäßig ihnen zuſagte. Einen ſolchen Aufwand mögen die meiſten Tiergärten nicht machen, und dies wird wohl der Grund ſein, weshalb wir ſo ungünſtige Ergebniſſe erzielen. Wollte man unſeren Jagdfalken täglih 1 oder 2 Tauben, Hühner, Rebhühner, Enten und andere Vögel womöglich lebend reichen, ſo würde man ſie unzweifelhaft ebenſolange erhalten können wie früher die Falkner.

Ein Edelfalke der vormals nicht viel weniger geſhäßt wurde als der hohberühmte Jagdfalke, iſt der Würgfalke, Lanner-, Stern-, S<hlag-, Sakhr-, Groß- oder Sc<hlachtfalfe, Blaufuß, Würger 2c. (Falco lanarius, sacer, saker oder sager, milyipes und laniarius), ein ſtattlicher Vogel von 54 cm Länge, 1,4 m Breite, 41 cm Fittich- und 20 ecm Schwanzlänge, der einem jungen Wanderfalken niht unähnlich gefärbt iſt und deshalb öfters mit ihm verwechſelt worden ſein mag. Der Bartſtreifen iſt {wach; die roſtrötlihen Scheitelfedern zeigen hwarzbraune Längsfle>en, die im Genie zuſammenlaufen und hier einen größeren dunkeln Fle>en bilden, die gelblihe Stirn und Wangenfedern dunklere Striche; das Geni iſt weiß, fahlbraun in die Länge geſtreift und gefle>t, die ganze Oberſeite, einſhließlih der Armſchwingen, fahlbraun, jede Feder an der Spiße grau, an der Seite roſtrötlih geſäumt und dur< einen dunkeln Schaftſtrih gezeihnet, das Kinn wie die Kehle gelblihweiß, die ganze Unterſeite rötlihweiß mit großen dunkeln, nach der Spiße hin tropfenartig erweiterten Längsfle>en geſ<müd>t. Die Handſhwingen