Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

222 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

breitere und bläulih gefärbte Säume der Nükenfedern, dur<hgehende, niht aus Fle>en beſtehende Bänderung des Schwanzes, lit gelblich übertünchte Unterſeite und kleinere Tropfenfle>en.

Der Würgſfalke zählt nicht zu den deutſchen Brutvögeln, ſondern verbreitet ſi über den Südoſten unſeres heimatlichen Erdteiles, insbeſondere Niederöſterreich, Galizien, Polen Ungarn, die Donautiefländer, Südrußland und die Balkanhalbinſel, fommt außerdem geeigneten Ortes in ganz Mittelaſien bis nah China hin vor, lebt ebenſo in Armenien, Kleinaſien, wahrſcheinlih au< in Perſien, und wandert im Winter bis Fndien und Mittelägypten hinab, brütet hier aber niht. Nach Deutſchland mag er ſich öfters verfliegen; ein beſtimmter Fall ſeines Vorkommens innerhalb der Grenzen unſeres Vaterlandes iſt mir jedoh niht bekannt. Erſt jenſeits unſerer Grenzen, dieſen zunächſt in Böhmen, hat er gebrütet; in einem Auenwalde der Donauinſeln bei Wien erlegte Kronprinz Erzherzog Nudolf am 20. April 1878 ein Männchen am Horſte, das bereits 4 Tage ſpäter durch ein anderes evrſeßt war. Hierdurch dürfte der Beweis erbracht ſein, daß der Vogel in Niederöſterreich keine8wegs vereinzelt auftritt.

Jn ſeinem Weſen, ſeinem Betragen und Gebaren ähnelt der Würgfalke dem Wanderfalken; doh unterſcheiden ihn die arabiſchen Falkner genau von ſeinem Verwandten und ſprechen ihm Eigenſchaften zu, die nah ihrer Verſicherung dieſer niht beſit. Eigne Erfahrungen haben mich belehrt, daß man den Falknern beiſtimmen muß. Gelegentlich eines JZagdausfluges des Kronprinzen Erzherzog Rudolf nah Ungarn ſahen wir den Würgfalken mehrere Male, und wenn auch die Zeit mangelte, uns eingehender mit ihm zu befaſſen, konnten wir doh weſentliche Unterſchiede zwiſchen ihm und dem Wanderfalken nicht verkennen. Sein Flugbild unterſcheidet ihn auf den erſten Bli> von der leztgenannten Art. Der im Vergleiche mit dem des Wanderfalken geſtre>te Leib, der längere Shwanz und ſpibigere, im Schulter- und Oberarmteile aber breitere, daher im ganzen ſtark ausgebauchte Fittich ſind Merkmale, die vollkommen ausreichen, ihn mit aller Sicherheit anzuſprechen. Ex fliegt ſchneller als ſein Verwandter, mehr dem Baum- als dem Wanderfalken gleich, bewegt raſch und heftig die Flügel, um nah mehreren Schlägen gleitend dahinzuſchießen, und beſchreibt, über dem Horſte ſpielend, weite Kreiſe, mit wundervoller Leichtigkeit, faſt ohne Flügelſhlag längere Zeit dahinſhwebend. Von ſeiner Jagdluſt lieferte uns das erwähnte Männchen einen Beleg. Der uns begleitende Forſtmeiſter von Dombrowski lo>te durch täuſchende Nachahmung der Stimme einige Ringeltauben auf die Donauinſel, die wir durtſtreiſten. Kaum hatten die Vögel ſih erhoben, als der Würgfalke unter ſie ſtieß. Erſchre>t ſuchten die Tauben, alle Scheu vor uns vergeſſend, Zuflucht in den Wipfeln der um uns ſtehenden Bäume, und einen Augenbli> ſpäter jagte der Falke zwiſchen ihnen hindur<. Pfeilſchnell im buchſtäblihen Sinne des Wortes war jezt ſein Flug und deutlih hörbar das Brauſen, das er hervorbrachte; aber ſo ſ<hnell ex auh die Luft dur<ſchnitt, das faſt unfehlbar ſichere Blei des fürſtlichen Schügen ereilte ihn doh: er büßte ſeine Kühnheit mit dem Leben.

Über das Brutgeſchäft ſind wir zuerſt durh Woborzil, der den Würgfalken an der Moldau als Brutvogel antraf, neuerdings aber dur< Goebel und Holt unterrichtet worden. Fm Umanſchen Kreiſe in Südrußland, dem Beobachhtungsgebiete Goebels, tritt der Würgfalke weit häufiger auf als der Wanderfalke und zählt unter die nict ſeltenen Sommervögel des Landes. Sein Horſt ſteht dort ſtets auf Bäumen, nicht auf Felſen, meiſt auf Eichen, ausnahm8weiſe au< auf Linden, gewöhnlih an den von Feldern begrenzten Wa!dſäumen, ungefähr 16 m über dem Boden. Äſte und Zweige bilden den Unterbau, feines Reiſig, etwas Laub und Blätter der Miſtel die Auskleidung der flachen Mulde. Mitte April