Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Würgfalke: Verbreitung. Weſen. Fortpflanzung. 993

vflegt das aus 5, ſeltener 4, zuweilen 6 Eiern beſtehende Gelege vollzählig zu ſein. Die Eier, auh die eines Geleges, ändern, wie bei allen Falken, in Größe, Form und Färbung erhebli ab. Jhr größter Durchmeſſer beträgt 51—56, ihr kleinſter 40 —42 mm, die Färbung iſt entweder gelbli<h oder weißlich; die Zeichnung beſteht im erſteren Falle aus fehr dunkeln, rotbraunen Fle>en, die, mehr in größeren Wolken zerſtreut, hin und wieder die Grundfärbung frei zeigen oder im leßteren Falle gleihmäßig über das ganze Ei verteilt ſind und die Grundfärbung wenig dur{hſcheinen laſſen. Wie alle Edelfalken lieben beide Eltern die Brut in hohem Grade. Das Weibchen ſißt ſehr feſt auf den Eiern, entfernt ſich gewöhnlih erſt, wenn der Steiger am Vaume emporklettert, verharrt oft fo lange, bis er nahe am Horſte iſt und umkreiſt dann ſehr unruhig den Horſtplab, hält ſich jedoch in gehöriger Entfernung davon. Holt ſtimmt mit Goebel davin überein, daß er den Würgfalken als einen keineswegs ſheuen Vogel bezeichnet. „Jh habe ihn während des Brutgeſchäftes oft ganz ruhig auf dem Horſtrande oder einem benahbarten Zweige ſißend ſein Gefieder pußen ſehen, ohne daß er die geringſte Scheu zeigte“, ſagt der erſte, und „ih muß den Vogel eher zu den niht ſcheuen als zu den ſcheuen Raubvögeln zählen; denn ich habe ihn z. B. zweimal im Frühlinge auf einzelſtehenden Flurbäumen, die noh niht belaubt waren, unterlaufen und geſchoſſen“, verſichert der leßtgenannte. Alfred Baron Wildburg dagegen bezeichnet ihn als ſehr ſcheuen Vogel. Fn Niederöſterreich und Ungarn haben wix den Würgfalken während der Brutzeit nur in Wäldern gefunden. Er horſtete in den hauptſählih aus Pappeln und Weiden beſtehenden Auenwäldern bei Wien inmitten eines Reiherund Scharbenſtandes, wurde wiederholt in ähnlichen Beſtänden der Donauinſeln Ungarns von uns beobachtet, fehlte aber auch den köſtlihen Bergwaldungen der Fruska Gora nicht. Zu erwähnen iſt, daß er ſeinen Horſt ſelbſt errichtet, mindeſtens ausbaut: das Weibchen des bei Wien horſtenden Paares trug Reiſer zu Neſte. Anfang Mai wurde in einem Eichenwalde Südungarns auf Befehl des Kronprinzen Erzherzog Rudolf ein Horſt erſtiegen und in ihm vier weißflaumige Junge, deren Schwingen und Steuerfedern bereits zu ſproſſen begannen, vorgefunden. Alfred Walter beobachtete unſeren Räuber als Brutvogel beſonders im ſüdöſtlihen Turkmenien und nennt ihn „den an der Afghanengrenze häufigſten Raubvogel. Die Brutpläße liegen meiſtens an den Steilungen der ſandig:-lehmigen Wüſtenhügel, auh an den Steilufern der Flüſſe und ſogar an den Wänden verfallener Brunnen.“

Über das Leben des Würgfalken in der Winterherberge berichtel von Heuglin in maleriſ<her Weiſe. „Wenn die auf den Lagunen und Sümpfen des Nildeltas überwinternden Waſſervögel anlangen, ſammeln ſi< um ſie gleichzeitig eine Menge von Falken und Adlern, namentli<h Feldeggs- und Wanderfalken, Kaiſeradler und Schreiadler, die hier an friſher Beute niht Mangel leiden. Mit ihnen erſcheint auc hier und da der Suthr. Bald hat er ſi< ſeinen Standort auf einer einzelſtehenden Sykomore, Palme oder Akazie auserſehen, von welcher aus er ſeine Jagdbezirke überbli>en kann. Erwacht der Tag und mit ihm der betäubende Lärm von Tauſenden in Flüge geſharten Gänſen, Enten, Strandläufern, die auf Shilfinſeln in den Lagunen oder im ſeichten, freien Waſſer einfallen, ſo verläßt auh der Würgfalke ſeinen Stand. Doch de>t dann noch ein dichter, niedriger Nebelſchleier das Gewäſſer, was den Räuber in ſeinem Werke übrigens keineswegs hindert. Er ſtreicht, meiſt ohne vorheriges Kreiſen, in gerader Linie und niedrig auf einen munter ſchäkernden Flug von Enten zu. Nun erfolgt ein Augenbli> lautloſer Stille. Waſſerhühner und andere ſchlechte Flieger duden ſi<h und tauchen im Nu unter, während die ihrer Fertigkeit in den Lüften bewußten Enten plößlich aufſteigen und ſih dur< ſhleunige Flucht zu retten ſuchen. Sekt ſteigt der Falke auh etwas, ſauſt wie ein Pfeil dahin und erhaſcht entweder mit er: ſtaunliher Gewandtheit ſtoßend ſein Shlachtopfer oder ſ{hlägt es mit den Fängen nieder und trägt es, oft verfolgt von kreiſchenden Milanen und Turmfalken und ohne ſi<h im