Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

298 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

es den Vogel {on ergriffen. Ein Grünſpecht, der eben unter dem Falken vorüberflog, geriet über deſſen Stoßen in ſole Angſt, daß er laut aufſchrie und in größter Haſt in das nahe Dickicht ſtürzte.“ Bei ſolhen Jagden vergißt er oft alle Scheu vor dem Menſchen, eilt blindlings hinter den von ihm verfolgten Vögeln her und dringt dabei zuweilen in Häuſer, ſelbſt in das FJnnere eines fahrenden Wagens ein, falls ſeine geängſtigte und verwirrte Beute hier wie dort Rettung ſuht. Schwebend führt er die ſ<hönſten Schwenfungen mit der größten Leichtigkeit aus. Auf den Boden ſeßt er ſi ſelten, vielmehr regelmäßig auf Bäume; ſeinen Raub verzehrt er hier wie dort.

Männchen und Weibchen halten treu zuſammen und treten im Herbſte miteinander ihre Winterreiſe an. Sie rauben auch gemeinſchaftlih, werden aber hierbei aufeinander eiferſüchtig und nicht ſelten miteinander uneinig. „Hiervon“, ſagt mein Vater, „weiß ih ein Beiſpiel. Zwei Baumfalken jagten zuſammen; der eine fing eine Schwalbe, ließ ſie, während der andere herbeikam, fallen, ſtürzte hinter ihr drein und fing ſie no< einmal. Jett verlangte der andere ſeinen Anteil an der Beute, der Beſizer aber wollte ihm dieſen nicht geben. Beide biſſen ſih miteinander herum und kamen ſo auf den Boden herab, wo der Sieger die Schwalbe ergriff und mit ihr in möglihſter Schnelle davonflog, ehe der Beſiegte ret zu ſih kam.“ Bei ſolhen Zänkereien geſchieht es zuweilen, daß ein gefangener Vogel wieder frei kommt und glü>li< entrinnt. Solche eheliche Zwiſte abgerechnet, ſind die Baumfalken ſehr treue Gatten. Man ſieht das Paar ſtets zuſammen, und einer der Gatten bemüht ſih, den anderen zu erfreuen.

Die Stimme iſt ein helles und angenehm klingendes „Gäth gäth gäth““ das oft und \<hnell wiederholt wird. Während der Brutzeit vernimmt man ein helles „Gi“.

Der Baumfalke iſt immer ſcheu und vorſichtig, bäumt deshalb zum Schlafen erſt auf, wenn die Dunkelheit vollſtändig eingebrochen iſ, und weiht jedem Menſchen faſt ängſtlih aus. Sein ganzes Gebaren deutet auf hohen Verſtand.

Wie ſ{<on Naumann hervorhebt, iſt der Baumfalke der Schre>en der Feldlerchen. Er verſhmäht aber au< andere Vögel keineswegs und wird ſelbſt den ſ<hnellen Shwalben gefährlich. „Die ſonſt ſo keen Schwalben, die ſo gern andere Raubvögel mit ne>endem Geſchrei verfolgen, fürchten ſi<h auh ſo ſehr vor ihm, daß ſie bei ſeinem Erſcheinen eiligſt die Flucht ergreifen. Jh ſah ihn zuweilen unter einen Shwarm Mehlſhwalben fahren, die ſo darüber erſhraken, daß einige von ihnen vom Schre>en förmlich betäubt wurden, wie tot zur Erde herabſtürzten und ſi< von mir aufnehmen ließen. Lange hielt ih ſie in der offenen Hand, ehe ſie es wagten, wieder fortzufliegen. Auch die Lerchen fürchten ſih ſo vor ihrem Erbfeinde, daß ſie, wenn er ſie verfolgt, ihre Zuflucht oft zu den Menſchen nehmen, den A>erleuten und Pferden zwiſchen die Füße fallen und von Furcht und Schre>en ſo betäubt ſind, daß man ſie niht ſelten mit den Händen fangen kann. Der Baumfalke fliegt gewöhnlih niedrig und ſchnell über der Erde hin. Wenn ihn im Frühlinge die Lerchen von weitem erbli>en, ſo ſ{<hwingen ſie ſi<h ſchnell in die Luft zu einer Höhe hinauf, daß ſie das menſ<hlihe Auge kaum erreihen kann, und trillern eifrig ihr Liedchen, wohlbewußt, daß er ihnen in der Höhe niht ſchaden kann, weil er, wie der vorhergehende, allemal von oben herab auf ſeinen Raub ſtößt und ſie daher, wenn ſie einmal in einer ſo beträchtlihen Höhe ſind, niemals angreift. Es würde ihn, wenn er ſie dann überſteigen wollte, zu viel Mühe und Anſtrengung koſten. Die Schwalben verurſachen bei ſeiner Ankunſt einen großen Lärm, ſammeln ſih in einen Schwarm und ſ{<hwingen ſih wirbelnd in die Höhe. Auf die einzeln und niedrig fliegenden macht er Fagd und fängt ſie im Freien auf 4—10 Stöße; ſtößt er aber öfters fehl, ſo wird er müde und zieht ab.“

Snell, ein ſehr ſharfer und gewiſſenhafter Beobachter, meint, daß der Baumfalke nur Mehlſchwalben fangen könne, unſere Rauhſhwalbe aber vor ihm ſicher ſei. „Jh